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Politik & Wirtschaft

Deutsche Behörden schnüffeln 63.000 Konten aus – Datenschützer kritisieren sorglosen Umgang mit Stammdatenabfrage

Finanzamt: leichter Zugriff auf private Daten (Foto: pixelio.de/Marc Tollas)Finanzamt: leichter Zugriff auf private Daten (Foto: pixelio.de/Marc Tollas)

Berlin (pte012/12.01.2012/12:00) – Die Überprüfung von Privatkonten durch deutsche Finanzämter, Sozialbehörden, Arbeitsagenturen und Bafög-Stellen nimmt immer weiter zu. Im Jahr 2011 haben fast 63.000 Abfragen, rund zehn Prozent mehr als 2010, stattgefunden, wie die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet.Stammdatenabfrage Alltag

„Ursprünglich sollten Abfragen solcher Art als Instrument zur schweren Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung dienen. Jetzt wird es immer mehr zum Alltagsinstrument. Das gleiche Phänomen lässt sich bei der Vorratsdatenspeicherung beobachten“, meint Florian Glatzner, Referent der Verbraucherzentrale Bundesverband http://vzbv.de für Datenschutz und Netzpolitik, gegenüber pressetext.

2005 wurde das automatisierte Abrufverfahren für Stammdaten wie Name, Geburtsdatum oder Adresse der Bankkunden eingeführt. Gab es damals weniger als 9000 Abfragen, so sind es heute um rund 700 Prozent mehr. „Eine Maßnahme, die laut Bundesverfassungsgericht eigentlich als Ausnahme gedacht war, hat sich fast zu einer Routine entwickelt“, meint Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Schärfere Begründungspflichten gefordert

Verbesserte Begründungspflichten könnten laut Schaar dazu führen, dass die Abfragezahlen wieder abnehmen. „Gesetzliche Regelungen sind notwendig, um diese angenommene Ausmaße der sogenannten Ausnahmen wieder einzuschränken“, so Glatzner.

Die Abfragen dienen zur Förderung der Steuerlichkeit und Eindämmung von Sozialleistungsmissbrauch. Gibt es einen Verdacht, so haben die Behörden unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, Daten der Konten und Depots bei Banken und Sparkassen abzufragen.

Frühwarnsystem auf EU-Ebene

Auf EU-Ebene wird derzeit über das Frühwarnsystem diskutiert. Es handelt sich um einen internen Mechanismus zur Erfassung von Personen oder Unternehmen, die eine Bedrohung für die finanziellen Interessen der EU darstellen könnten. Der Europäische Ombudsmann, Nikiforos Diamandouros, fordert, dass das computergesteuerte System Grundrechte, wie zum Beispiel das Recht auf Anhörung, respektieren muss.

„Das Frühwarnsystem ist ein wichtiges Instrument zum Schutz von EU-Mitteln. Die Kommission muss aber ausreichende Kontrollmaßnahmen vorsehen, um sicherzustellen, dass das Frühwarnsystem im Einklang mit der EU-Grundrechtecharta steht, die jetzt für alle EU-Institutionen rechtlich bindend ist“, so Diamandourus.