Piratenpartei: Die Gedankenpolizei kommt
Wenige Tage vor Beginn der Fußball-WM trat am Mittwoch eine Verordnung im Eilverfahren in Kraft, die eine Vielzahl von Datensammlungen des Bundeskriminalamts auf eine Rechtsgrundlage stellen soll. Unter diesen befindet sich die Datei „Gewalttäter Sport“. Die Piratenpartei sieht die Entwicklung gleich dreifach kritisch: Sie bemängelt sowohl die Datei selbst als auch das angewendete Eilverfahren und die verabschiedete Rechtsverordnung.Die Verordnung enthält eine umfassende Ermächtigung des Bundeskriminalamts zur Führung kriminalpräventiver Datensammlungen. »Der Name legt nahe, man wolle nur eine friedliche Fußballweltmeisterschaft.
Tatsächlich geht es aber um die uferlose Überwachung der Bürger«, so Andreas Popp, Stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei. »Die Listen der zu erfassenden Daten geben keinerlei Hinweis, für welchen konkreten Zweck die jeweils zu erhebenden Informationen gebraucht werden und in welcher Weise sie für einen Strafverfolgungszweck geeignet sind.« Damit setze die Verordnung grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats außer Kraft. »Die Daten-Ermächtigungs-Verordnung für das BKA gleicht einem kriminalpräventiven Vorgehen mit der Datenschrotflinte«, so Popp weiter. »Dass zudem alleine der Verdacht, ein bisher unbescholtener Mensch könne zukünftig eine Straftat begehen, ausreicht, um ihn zu speichern, ist eines Rechtstaates unwürdig. Fair Play sieht anders aus.«
Auch kleine Vergehen und politische Delikte – explizit erwähnt werden beispielsweise solche bei Atomtransporten – sind als Grundlage einer Datei erlaubt. Da die Dateien „Zentralstellen“ für die Polizeibehörden der Länder darstellen, haben alle Polizeibeamten auf sie Zugriff.
Derzeit existieren bereits gut 80 derartige Karteien. Die erfassten Daten reichen je nach Datei über DNA-Proben hin zu sozialen Kontakten und sogar den geschriebenen Texten einer Person. Besonders schockierend:
Eine Person muss gar keine Straftat begangen haben, um aufgelistet zu werden. Für eine Speicherung genügt die Annahme der Polizeibehörden, jemand könne zum Straftäter werden.
»Ich bin schockiert, dass derart weitreichende Einschnitte in die informationelle Selbstbestimmung in so kurzer Zeit und ohne Beteiligung des Bundestags abgenickt werden«, erklärt Andreas Popp. »Wir fordern deshalb eine Folgenabschätzung auf Menschen- und Bürgerrechte für geplante Sicherheitsmaßnahmen. Zu oft mussten übergeordnete Institutionen wie das Bundesverfassungsgericht oder der Bundespräsident eingreifen, um gefährliche Gesetze zu stoppen. Ein „Gesetzes-TÜV“ durch die Europäische Grundrechteagentur oder eine ähnliche Institution kann der schleichenden Orwellisierung unserer Gesetzgebung begegnen. Bis diese Überprüfung möglich ist, wünscht sich die Piratenpartei ein Moratorium für weitere Grundrechtseingriffe im Namen der inneren Sicherheit.«