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Dienstagsvorträge der GEMEINNÜTZIGEN – Oktober 2008

GEMDiVortrag
Auch die uns zugeleitete Übersicht der Dienstagsvorträge der GEMEINNÜTZIGEN – hier für den Monat Oktober 2008 – stellen wir gerne vor. Im Anschluss an diese schließen sich einige Inhaltsangaben dazu an: 07.10.2008
Meike Kruse, Lübeck
Nutzung von standesamtlichem Schriftgut für die Familienforschung ab 01. Januar 2009
Zur Umsetzung des Personenstandsrechtsformgesetzes im Archiv der Hansestadt Lübeck

gemeinsam mit dem Verein für Familienforschung e. V. Lübeck

14.10.2008
Prof. Dr. Gerhard Ahrens, Lübeck
Lübecks Bürger entdecken das Mittelalter

gemeinsam mit dem Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde

21.10.2008
Prof. Dr. Hans Arnold, Lübeck
Vorschulische Bildung benachteiligter Kinder schafft Wirtschaftskraft

gemeinsam mit Förderverein Lübecker Kindertagesstätten e. V.

28.10.2008
Dr. Peter Guttkuhn, Lübeck
Der Eintritt der Juden in das Lübecker Bürgertum

ALLE VERANSTALTUNGEN SIND ÖFFENTLICH.
Veranstalter Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit, gegr. 1789
Ort Großer Saal des Gesellschaftshauses, Königstr. 5, 23552 Lübeck
EINTRITT FREI – BEGINN 19:30 UHR

Inhaltsangaben Dienstagsvorträge Oktober 2008 (GEMEINNÜTZIGE)

14.10.
Die Dienstagsvorträge in der GEMEINNÜTZIGEN gelten seit über zwei Jahrhunderten als ein Mittelpunkt bürgerlicher Aktivitäten in der Hansestadt. Vor 190 Jahren, am 03. März 1818, sprach Senatssekretär Carl Ludwig Roeck in diesem Rahmen „Über die in Lübeck befindlichen Werke der Kunst und deren Erhaltung“. Die daraufhin vom Rat erlassene Verordnung zur Sicherung gefährdeter Altertümer zählt zu den frühesten gesetzlichen Regelungen über Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland. Drei Jahre später beklagte an derselben Stelle der spätere Direktor Johann Friedrich Hach die fehlende Quellenbasis für eine lübeckische Stadtgeschichte. Die Vorsteherschaft nahm deshalb seine Anregung auf, einen „Ausschuss für das Sammeln und Erhalten geschichtlicher Quellen“ zu bilden. Der daraus hervorgegangene Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde zählt ebenfalls zu den ältesten derartigen Vereinigungen im deutschen Sprachraum. Dieses vorbildliche bürgerliche Engagement vor dem Hintergrund deutscher Romantik hat wesentlich dazu beigetragen, dass die vielfach gefährdeten Zeugnisse aus der Vergangenheit der früheren freien kaiserlichen Reichsstadt Lübeck gerettet, gesichert und bewahrt werden konnten.

21.10.
Jahrzehntelang ist in Deutschland die Investition in vorschulische Bildung, d. h. die Schaf-fung einer ausriechenden Anzahl von Krippen- und Kindergartenplätzen, die qualifiziertere Ausbildung von Erziehern und Erzieherinnen und die Einbeziehung von Sozialpädagogen, Psychologen und Kinderkrankenschwestern in die vorschulische Kinderbetreuung mit dem Argument vernachlässigt worden, dafür sei kein Geld da. Ebenfalls seit Jahrzehnten zog man in Deutschland vor, die um ein Mehrfaches höheren Folgekosten für die Kompensation der vorschulischen und der daraus resultierenden schulischen und Berufsschulausbildungsdefizite in Kauf zu nehmen, die die Gesellschaft weitaus mehr kosten. Mittlerweile leidet die deutsche Wirtschaft massiv unter dem mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Das wäre vermeidbar gewesen und muss in unser aller Interesse für die Zukunft vermieden werden. Anhand internationaler Studien und demographischer Betrachtungen wird deutlich, warum kostspielige Anstrengungen für die Verbesserung vorschulischer Bildung langfristig eine volkswirtschaftliche Ersparnis und ein ökonomischer Vorteil für Großindustrie und Mittelstand, ja für uns alle sind.

28.10.
Im Jahr 1806 wurde die Kaiserliche und des heiligen Römischen Reichs freie Stadt Lübeck zur unmittelbaren Eigentümerin des Gutes und Dorfes Moisling und damit auch der seit 150 Jahren dort lebenden jüdischen Bevölkerung. Der Lübecker Rat und die Bürgerschaft erwarben die Ortschaft nicht aus finanziellen oder wirtschaftlichen Erwägungen, sondern aus innen- und staatspolitischen Gründen, wobei ihre Judenpolitik die wichtigste Rolle spielte: Den 300 toratreuen Landjuden – man nannte sie verächtlich nur „Gebiets-Eingesessene“ – sollte die Niederlassung in der evangelisch-lutherischen Stadt auch weiterhin aus handelspolitischen und religiösen Gründen untersagt bleiben und Moisling der alleinige Platz im lübeckischen Staatsgebiet – d. h. einem Landbezirk – sein, wo jüdische Menschen leben durften: außerhalb der allgemeinen Rechts- und Sozialordnung, ökonomisch, sozial, kulturell isoliert, ausgegrenzt und diskriminiert, als geduldete Fremde unter ständiger Polizeiüberwachung.
Die Lübecker christliche Mehrheitsgesellschaft hatte einen sehr engen Existenzrahmen für ihre jüdische Minderheit gezogen: Von nahezu allen Erwerbszweigen bzw. Berufen ausge-schlossen, ohne Möglichkeit des Land- und Immobilienerwerbs, fern der Bildungseinrichtungen, ohne Bürger- und/oder Einwohnerrecht mussten die Landjuden im isoliert-rückständigen Zwangsgetto des weit entfernten Dorfes Moisling eine Schattenexistenz führen.
Ein radikales Umdenken griff in den 1840er Jahren Platz, hatte eine Modernisierung des gesamte (Stadt-)Staates zum Ziel, eine Verfassungsreform samt einer grundlegenden Veränderung der Wahlrechtsfrage, um Modernität und Effektivität im Staatsleben zu gewährleisten und dauerhaft zu sichern: Notwendig sei eine breite politische Partizipation aller Staatsangehörigen. Das schloss die lübeckischen Juden mit ein, auch wenn sie weder in der ihre staatsbürgerliche Gleichstellung sichernden Verordnung vom 30. Dezember 1848 noch in der „Revidierten Verfassungs-Urkunde“ vom selben Tag erwähnt wurden.
Von der evangelisch-lutherischen Mehrheitsbevölkerung wurde die Emanzipation der Juden widerstandslos hingenommen, zumal sie durch ein Gesetz vom 16. Juni 1852 erneut und endgültig geregelt und gesichert wurde.
Die gesetzestreuen Lübeck-Moislinger Juden empfanden diese ihre vollständige Gleichstel-lung als logische Konsequenz der eigenen unwandelbaren Glaubensfestigkeit und strikter Abwehr traditionszersetzender Integrations- und Akkulturationsbestrebungen. Und weil ihre bürgerliche Gleichstellung mit den Lübecker Lutheranern gottgewollt sei, deshalb sei sie auch dauerhaft und verlässlich.
Hier setzt der Referent des Dienstagsvortrags mit der Darstellung ein, dass die Juden, die nun in die Stadt zogen, die marktwirtschaftlichen Mechanismen und Prinzipien kannten und beherrschten, die ganz selbstverständlich umgingen mit den Kriterien Konkurrenz, Risiko, Profit, für die der Leistungs- und Erfolgsbegriff bei selbständiger Erwerbstätigkeit lange geübte Praxis war. Daraus entwickelten sich aussichtsreiche berufliche Startchancen, um Besitz und Bildung zu erwerben und so ins Zentrum der Lübecker bürgerlichen Gesellschaft der Kaiserzeit aufzusteigen.