Expertenanhörung: Werden Radarfallen abgeschafft?
Foto: TBF/Kröger – Am Mittwoch ab 10 Uhr wird der Wirtschaftsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags elf Experten zu dem Antrag von Piraten und FDP anhören, in Schleswig-Holstein als bundesweit erstem Land verdeckte Geschwindigkeitskontrollen ohne Polizeipräsenz („Radarfallen“) komplett abzuschaffen und solche Kontrollen durchgängig auf Hinweisschildern anzukündigen. Ausweislich der schriftlichen Expertenvoten wird die Forderung nach einer Ankündigung der Kontrollstellen unterstützt von dem Psychologen Prof. Dr. Echterhoff von der Uni Wuppertal und dem ADAC. Auch der Vorsitzende des Bundesverbandes Niedergelassener Verkehrspsychologen Dr.
Voss betont, es gebe „kaum seriöse empirische Belege“ für die Annahme, Radargeräte würden außerhalb ihrer Reichweite die Verkehrssicherheit erhöhen. Eine empirische Studie auf Bundesebene habe 2014 sogar ergeben, daß die Fahrer, die sich z.B. an Tempolimits halten, ein höheres Unfallrisiko auswiesen. In Nordrhein-Westfalen müssen die Standorte kommunaler Messgeräte bereits veröffentlicht werden, ortsfeste Radarkontrollen an Autobahnen werden durchgängig durch Schilder angekündigt.
Konkret fordert unser Antrag, „dass
Geschwindigkeitsüberwachungseinrichtungen ohne Polizeipräsenz durchgängig durch in ausreichendem Abstand aufgestellte Hinweisschilder sowie in den Medien und im Internet offen angekündigt und auf Orte beschränkt werden, an denen tatsächlich schwere Geschwindigkeitsunfälle auftreten“. Einnahmen aus Maßnahmen der Geschwindigkeitsüberwachung sollen der ausschließlichen Verwendung für Verkehrssicherheitsmaßnahmen des Landes vorbehalten bleiben und nicht zur allgemeinen kommunalen Haushaltsaufbesserung eingesetzt werden können. Das Verbot der Nutzung von Radarwarngeräten soll aufgehoben werden. Mein Ziel ist es, dass im Anschluss an die Anhörung ein fraktionsübergreifender Antrag erarbeitet wird, der den wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung trägt und für die effektivst mögliche Unfallverhütung auf unseren Straßen sorgt.
Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Ortsfeste Kontrollen
Bezüglich der stationären Geschwindigkeitskontrollen könnte es auch nach Auffassung des Innenministeriums „hilfreich sein, diese Anlagen ausschließlich an diesen Stellen durch auffällige Gestaltung oder Ankündigung auch für ortsunkundige Verkehrsteilnehmer erkennbar zu machen, um möglichst deren vollständige Wirkung zu entfalten.“ (Umdruck
18/2840)
Dies wird bestätigt durch die vom Innenministerium zitierte Untersuchung von Prof. Dr. Meewes („Mobile und Ortsfeste Geschwindigkeitsüberwachung
– Auswirkungen auf Verhalten und Verkehrssicherheit“), die auf Seite 126 zu dem Ergebnis kommt: „Die Wirkungsweise der (ortsfesten) Anlagen beträgt ca. 500m vor und hinter dem Standpunkt der ortsfesten Anlagen zur Geschwindigkeitsüberwachung: Außerhalb dieses Bereichs treten keine Unfallveränderungen auf, d.h. weder Unfallzunahmen noch Unfallabnahmen, die auf das Vorhandensein der ortsfesten Anlage zur Geschwindigkeitsüberwachung zurückgeführt werden könnten.“
2. Mobile Kontrollen
Mit verdeckten mobilen Kontrollen will das Innenministerium landesweit einen „gewissen Flächendruck“ schaffen. Es hofft, verdeckte Kontrollen an wechselnden Orten würden Kfz-Führer allgemein zu einem langsameren Fahren veranlassen.
Die vom Innenministerium zitierte umfangreiche empirische Untersuchung von Prof. Dr. Meewes zeigt aber, dass diese Hoffnung trügt. Prof. Meewes kommt bei seinen Untersuchungen zu folgenden Ergebnissen: „Das Geschwindigkeitsverhalten von Kraftfahrern kann durch einmalige Kontrollen nicht verändert werden.“ (S. 6) Erst wenn „an vielen Stellen in einem Gemeindegebiet die Zahl der Kontrollen erheblich verstärkt und … die Häufigkeit der Kontrollen über mehrere Jahre durchgehalten“
wird, sinken die Geschwindigkeiten (S. 7) – jedoch auch nur im Bereich der Kontrollstellen. „Werden bestimmte Bereiche aus der verstärkten Überwachung herausgenommen …, so ergeben sich auch keine deutlichen Verbesserungen der Verkehrssicherheit.“ (S. 82) Prof. Mewes folgert:
„Die Wirkung folgt vornehmlich aus der Erkennbarkeit der Kontrolle und weniger aus der Einsicht der Kraftfahrer in die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit“ (S. 82).
Nach unserem Antrag sollen zum Zweck der Generalprävention verdeckte mobile Kontrollen mit Polizeipräsenz möglich bleiben (laut Prof. Meewes zeigen „intensiv Belehrte“ immerhin eine „etwas verhaltenere Fahrweise“, S. 82). Dass darüber hinaus aber verdeckte Kontrollen ohne Polizeipräsenz einen „Flächendruck“ schaffen und Kraftfahrer generell zu einem langsameren Fahren veranlassen könnten, erweist sich in der Realität als nicht realisierbar.
3. Orte der Kontrolle
Prof. Meewes empfiehlt: „Eingesetzt werden sollten ortsfeste Anlagen zur Geschwindigkeitsüberwachung, wenn an einer Stelle (Punkt oder Abschnitt bis 1.000m) viele schwere Unfälle aufgetreten sind und dies die Folge stark überhöhter Geschwindigkeiten ist“ (S. 127). Dies entspricht insoweit unserem Antrag. An anderen Orten bleiben auch nach unserem Antrag polizeiliche Präsenzkontrollen möglich.
4. Radarwarner
Das Innenministerium weist darauf hin, dass Radarwarngeräte vor allen stationären Messanlagen warnen würden (Umdruck 18/2840). Nachdem laut Ministerium die Ankündigung stationärer Anlagen aber ohnehin hilfreich sein könnte (siehe oben), kann auch der über Warngeräte erfolgende Hinweis darauf nur von Vorteil sein. Dies spricht für unser Anliegen, das Verbot von Radarwarngeräten aufzuheben.
Den Antrag der Piraten, dem sich inzwischen auch die FDP angeschlossen hat, sowie die schriftlichen Stellungnahmen dazu finden Sie hier:
<http://lissh.lvn.parlanet.de/cgi-bin/starfinder/0?path=lisshfl.txt&id=fastlink&pass=&search=%28%28%28FASTW%2cDARTS%2c1DES2%3d%28%28%2218%22+AND+%221667%22%29%29+OR++%28FASTDAT%3d1667+18+00%29%29%29+NOT+TYP%3dPSEUDOVORGANG%29+AND+WP%3d18&format=WEBKURZFL>
Den Zeitplan der Expertenanhörung am Mittwoch finden Sie hier:
<http://www.landtag.ltsh.de/export/sites/landtagsh/infothek/wahl18/aussch/wirtschaft/einladung/2014/18-045_10-14.pdf>
Durch Klick auf das Lautsprechersymbol kann die Anhörung auch per Internetstream verfolgt werden.