Lübeck Lupe

Flutwelle in Asien: Ein Überlebender berichtet

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Foto und Text: Dr. Christoph Gaudecki

Der Berliner Pfarrer Thomas Hesse hat seine Weihnachtsferien auf den Seychellen verbracht. Der Traumurlaub wurde zum Alptraum. Der Berliner Theologe erholte sich von den schrecklichen Ereignissen für ein paar Tage bei Freunden in Lübeck…„Es war die Hölle“, so fasst Thomas Hesse (45) seine Erlebnisse zusammen, die er berichtet. Wenige Tage vor Weihnachten startete der Pfarrer in den Urlaub auf die Seychellen. Von Berlin aus flog er zunächst nach Paris. Der Flug von der französischen Hauptstadt bis auf die im Indischen Ozean gelegenen Inseln dauerte neun Stunden. „Wir hatten ein schönes Haus mit mehreren Zimmern auf der Urlaubsinsel Mahe“.

Am Nachmittag des 25. Dezember passierte dann das Unglück. „Selbstverständlich waren bei dem Traumwetter alle Gäste am Strand“, so Thomas Hesse. Zunächst stieg das Wasser ein wenig, dann etwas mehr. Ich zog mich mit meiner Decke vom Strand zurück bis an die Uferböschung“ erinnert sich der Theologe. „Einige Urlauber diskutierten, was denn der Grund für den plötzlichen Wasseranstieg sei. Plötzlich ging das Wasser um etwa 800 Meter zurück. Die Kinder und zahlreiche Erwachsene liefen in den Schlick hinaus, weil dort zahlreiche Fische und Schildkröten lagen. Es sah aus, wie die Ebbe am Nordseestrand“, so Thomas Hesse. „Ich drehte mich zur Uferböschung um. Innerhalb weniger Sekunden wurde ich von der riesigen Welle erfasst, ging in ihr unter und wurde gegen die Böschung gedrückt. Plötzlich ergriff mich eine Hand und ich wurde die Uferböschung hinaufgezogen“, erinnert sich der Berliner Geistliche. „Oben standen einige Touristen. Gemeinsam liefen wir nun zum Parkplatz, auf der die Autos standen. Doch die Flutwelle hatte bereits alles erfasst. Die kleineren Autos waren wie Spielzeug durcheinander gewirbelt. Der Direktor eines Hotels nahm einige andere Überlebende und mich mit seinem Jeep mit. Eine Frau war völlig traumatisiert und weinte ständig“.

„Auf der Fahrt zu unserer Unterkunft sah ich die Ausmaße des Unglücks. Zahlreiche Häuser waren nicht nur durch die Flutwelle beschädigt, sondern zudem durch die mitgeschwemmten Gegenstände, wie z.B. größere Fischerboote und Autos. Überall lagen Müll, Schlamm und undefinierbare Gegenstände herum“, so Thomas Hesse. „Viele Menschen, die uns begegneten, hatten Schnittwunden an Kopf, Armen und Beinen. Die stark in Mitleidenschaft gezogene Straße konnten wir dank des großen Fahrzeuges noch passieren. Nach der Flut kam dann der Regen. Einige Häuser, die nach der Flut noch bewohnbar waren, rutschen aufgrund des starken Regens die Abhänge hinunter. Drei Tage regnete es ununterbrochen auf der Seychelleninsel Mahe. Eine Kommunikation mit der Außenwelt gab es nicht. Der Fernseher und das Handy waren nicht zu gebrauchen“, führt der Pfarrer aus.

Anschließend begann für Thomas Hesse eine mehrtägige Odyssee zurück nach Deutschland. „Trotz des großen Unglücks hatte die Polizei die Lage schnell im Griff. Zunächst flog ich auf eine Nachbarinsel und übernachtete in einem Hotel. Es fand sich ein Zimmer, obwohl wegen der Weihnachtsfeiertage Hochsaison war. Anschließend gab es zahlreiche organisatorische Fragen zu regeln. Ein Anschlussflug wurde verpasst. Es musste Essen besorgt werden“.

Nach einer größeren Wartezeit fand sich für Thomas Hesse ein Rückflug zunächst nach Paris. Auf dem Flughafen der französischen Hauptstadt übernachtet er auf einer Bank in der Abfertigungshalle. Zwar übermüdet, aber glücklich, dem Tod entkommen zu sein. AIR FRANCE fand dann eine kurzfristige Rückflugmöglichkeit nach Berlin. Anschließend reiste Thomas Hesse nach Lübeck weiter, um sich dort bei Freunden von den Ereignissen zu erholen. Erst seitdem er wieder in Deutschland ist, kann der Pfarrer wieder richtig schlafen. „Zwar beschäftige ich mich als Theologe seit Jahren mit dem Sterben sowie dem Tod. Nur wenige Augenblicke haben gefehlt, und es wäre für mich vorbei gewesen“, so der Berliner Theologe. „Deshalb kann ich nur jedem Menschen raten, so zu leben, als ob der jetzige Tag der letzte ist. Die leider oft bestehende Oberflächlichkeit sollten wir ablegen. Schließlich ist das Leben ein sehr wertvolles Geschenk unseres Schöpfers“.