Herr Bundeskanzler, wir müssen reden: Prostituiertenverband lädt Scholz zum Gespräch ins Bordell
Foto: www.Pixabay.com · Der Berufsverband schrieb: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, als Berufsverband für Sexarbeitende in Deutschland besorgt uns Ihre aktuelle Äußerung zum Thema Prostitution und “Sexkauf” zutiefst. Sie widersprechen damit der Position Ihrer eigenen Partei und auch dem zuständigen Ministerium. Die Debatte rund um das „Nordische Modell“ wird bereits jetzt – vor allem von der CDU/CSU –mit zu viel Moral, zu wenig Lösungsansätzen und leider gänzlich ohne die Betroffenen geführt.
Das ist aus unserer Sicht ein großer Fehler.Im Gegensatz zu Ihnen sieht die zuständige Familienministerin Lisa Paus keinen voreiligen Handlungsbedarf: Mit den im Sommer 2025 erwarteten Ergebnisse der sehr umfangreichen Evaluation des bestehenden ProstSchG, sollen sinnvolle Lösungen ausgearbeitet werden. Dieser Vorgehensweise schließen wir uns als Verband an.
Verbote – sei es über eine „Freierbestrafung“ oder durch die Schwierigkeiten, die das ProstSchG mit sich gebracht haben – lassen unsere Arbeit gefährlicher werden. Das zeigen uns zahlreiche Evaluationen aus Ländern wie -> Frankreich und -> Irland und konnte aufgrund der Sondersituation in den ersten Corona-Jahren auch in Deutschland deutlich beobachtet werden.
Das Leben von Betroffenen verändert sich unter einem Sexkaufverbot zum Schlechten – perfiderweise vor allem das jener Menschen, die damit vorgeblich am meisten geschützt werden sollen. Seit Schweden vor 25 Jahren als erstes Land der Welt ein Sexkaufverbot eingeführt hat, gibt es keine Studien, die auf ein Gelingen des Nordischen Modells hinweisen. Wir wissen, das kann nicht in Ihrem Interesse sein.
Werter Herr Bundeskanzler, wir bitten Sie dringend, mit uns – den von einem Sexkaufverbot betroffenen Menschen – zu sprechen. Wir Sexarbeitenden verkaufen nicht unsere Körper, wir bieten gute und wertvolle Arbeit in einer sehr körpernahen Dienstleistung an. Wovon Sie in der Fragestunde im Bundestag gesprochen haben, ist Menschenhandel, Ausbeutung und sexuelle Gewalt – gegen diese stehen wir an Ihrer Seite.
Wir wissen, dass die SPD eine Politik auf Augenhöhe der Menschen betreiben möchte. In Deutschland arbeiten rund 28.000 legal registrierte Prostituierte. Unser Verband ist mit über 800 Mitgliedern einer der größten Zusammenschlüsse von Sexarbeitenden weltweit. Unter uns sind so viele Menschen, die dieses Geschäft in all seinen Facetten – auch die Missstände – kennen.
Lassen Sie uns teilhaben an der Umgestaltung des ProstSchG, damit es ein Gesetz wird, das sich an unserem Arbeitsalltag und der Lebenswirklichkeit von Sexarbeitenden – auch jener von marginalisierten Kolleg*innen – orientiert. Gerne möchten wir Ihnen unsere Expertise zur Verfügung stellen und laden Sie dazu herzlich zu einer Bordellführung mit Gespräch in Berlin
ein.
Mit freundlichen Grüßen,
Politikgruppe des BesD | Sprecherin: Johanna Weber