Kenia: Anschlagserie nahe der somalischen Grenze
Die im Nordosten Kenias gelegene Stadt Wajir ist in der vergangenen Woche zum Schauplatz mehrerer Anschläge geworden. Bei dem jüngsten Übergriff warfen Polizeiberichten zufolge vermummte Angreifer eine Granate in einen Laden und eröffneten anschließend das Feuer auf die dort befindlichen Personen. Dabei verloren vier Menschen ihr Leben. Die in Somalia beheimatete islamistische Al Shabaab Miliz hat die Verantwortung für die Morde übernommen und bekräftigt damit ihr Vorhaben, einen islamischen Gottesstaat errichten zu wollen, zu dem auch der Nordosten Kenias gehören soll.
Exodus von Christen, Lehrern, Fachkräften
Die neuerlichen Anschläge sind eine Fortsetzung der blutigen und gezielt gegen Christen gerichteten gewaltsamen Übergriffe des vergangenen Jahres, bei denen in derselben Gegend über 60 Menschen umgebracht wurden (wir berichteten). Auch danach hatte Al Shabaab die Verantwortung übernommen und Christen aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. Die St. Andrews Kirche beispielsweise schloss damals wegen der Ermordung mehrerer ihrer Mitglieder ihre Türen und hat sie bis heute nicht wieder geöffnet. Doch nicht nur Christen fliehen vor dem Druck der Islamisten aus dem Nordosten Kenias.
Das Ausmaß der Krise wird auch daran deutlich, dass laut Gouverneur Ali Roba bereits 150 Lehrer von öffentlichen Schulen der Provinz Mandera dringend um Versetzung gebeten haben. Wie ein Open Doors Analyst erläutert, stellt der massive Exodus von Fachkräften im Bildungswesen und anderen öffentlichen Bereichen auf lange Sicht eine größere Gefahr für die Gesellschaft dar als die blutigen Anschläge: „Der Unterricht fällt aus. Der Wiederaufbau im Bildungswesen wird sehr lange dauern. Hinzu kommen die psychologischen Folgen: Wenn die Lehrer gerade in dieser schwierigen Zeit die Region verlassen, fühlen sich die Schüler im Stich gelassen – eine traumatische Erfahrung!“
Die nationale Lehrerorganisation von Kenia hat kürzlich einen Bericht über die Situation an den Schulen im Nordosten Kenias vorgelegt. Darin berichten über 1.000 zumeist christliche Lehrer von extrem respektlosem Verhalten ihnen gegenüber seitens muslimischer Schüler, Eltern, Vorgesetzter und Behördenvertreter. Sie seien unter anderem als „Sklaven“ und „Ungläubige“ beschimpft, angespuckt, tätlich angegriffen oder mit dem Tod bedroht worden.
Christliche Gemeinschaft erschüttert, aber nicht mutlos
Vor kurzem trafen Open Doors Mitarbeiter mit Christen zusammen, die infolge der Anschläge Mandera verlassen haben. „Viele von ihnen waren traumatisiert. Sie kämpften mit Wut, Trauer und Verwirrung, denn die meisten von ihnen hatten bei den brutalen Anschlägen eine nahestehende Person verloren. Das stellte ihren Glauben auf eine harte Probe.“
Dennoch beugen sich etliche Christen dem Druck nicht und haben sich trotz aller inneren Kämpfe entschieden, in das Gebiet zurückzukehren. Für einige bedeutet das, ihre eigenen Kinder aus Sicherheitsgründen bei Verwandten zurückzulassen. „Wenn es keine Christen in Mandera gäbe, sähe die Lage noch viel düsterer aus. Allerdings sind wir auf das Gebet unserer Geschwister angewiesen!“ sagt Mose, ein Pastor aus Mandera.
Ähnlich äußert sich ein Lehrer namens „Joseph“, der seit neun Jahren in 100m Entfernung von der somalischen Grenze lebt. „Hier vergeht kein Tag ohne Schüsse. Jesus befiehlt uns ja, unsere Feinde zu lieben. Bevor ich nach Mandera kam, kannte ich keine Feinde. Aber hier begegneten mir plötzlich Menschen, die mich ohne Grund hassten oder mir sogar den Tod wünschten. Mir wurde klar, dass es an uns liegt, die Situation zu verändern, indem wir beten und daran arbeiten, solche verhärteten und feindseligen Herzen zu verändern.“
Drastische Verschlechterung innerhalb weniger Jahre
Open Doors unterstützt die in der Region verbliebenen Christen durch eine Reihe verschiedener Schulungen, die Lieferung von Bibeln und Literatur sowie Hilfe zur Selbsthilfe Projekte. Die Entwicklung in dem mehrheitlich christlichen Land Kenia gibt Anlass zur Sorge und hat dazu geführt, dass Kenia 2013 erstmals auf dem Weltverfolgungsindex erschien und auf dem aktuellen Index mit Platz 19 die deutlichste Verschlechterung aller gelisteten Länder aufweist. Open Doors bittet gemeinsam mit den kenianischen Christen um Gebet für ihr Land.