Lübeck Lupe

Lübecks DGB-Chef Uwe Polkaehn im Interview

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Bild und Text: Dr. Christoph Gaudecki

Seit dem 1. Oktober 2003 steht Uwe Polkaehn an der Spitze des DGB-Bezirkes Schleswig-Holstein-Ost. Das Gespräch mit Uwe Polkaehn führte der Lübecker Wirtschaftsjournalist und Professor für Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht, Dr. Christoph Gaudecki…Der DGB-Bezirk Schleswig-Holstein Ost ist räumlich identisch mit dem Zuständigkeitsbereich der IHK Lübeck. Uwe Polkaehn repräsentiert etwa 80.000 Mitglieder, die sich auf die insgesamt acht DGB-Einzelgewerkschaften verteilen.

Hierzu gehören die IG-Metall, Verdi, NGG, IG Bauen-Agrar-Umwelt, IG BCE, GEW, Gewerkschaft der Polizei und die Gewerkschaft Transnet. Auf Bundesebene sind insgesamt mehr als 7 Millionen Menschen Mitglied einer DGB-Gewerkschaft.

Der DGB ist die Dachgewerkschaft mit einem reichhaltigen Aufgabenspektrum. Hierzu gehören gesellschaftliche Themen wie Arbeitsmarktpolitik, Bildung und Kultur. Tarifverträge schließt der DGB nicht ab. Dieses ist Aufgabe der jeweiligen Fachgewerkschaft. Ein weiterer Service des DGB ist die kostenlose Beratung und Prozessvertretung der Gewerkschaftsmitglieder in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten. Diese Aufgabe wird von den Juristen der DGB-Rechtsschutz GmbH übernommen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass prominentester gewerkschaftlicher Rechtsschutzsekretär der frühere Reichspräsident Friedrich Ebert war.

Uwe Polkaehn ist in seiner Eigenschaft als DGB-Vorsitzender Mitglied zahlreicher Gremien. Hierzu gehören unter anderem der Verwaltungsausschuss der Bundesagentur für Arbeit in Lübeck sowie in Bad Oldesloe, er ist alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates der Landesversicherungsanstalt, Aufsichtsratsmitglied der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Lübeck und Ostholstein. Zudem gehört er dem Regionalbereit Lübeck-Ostholstein-Lauenburg an, der die Aufgabe hat, Gelder der EU sachgerecht zu verteilen.

In wirtschafts- und sozialpolitischer Hinsicht weist Uwe Polkaehn auf das Problem der Arbeitslosigkeit in der Region Lübeck hin. Fast 3.000 junge Menschen sind im Februar 2005 in Lübeck arbeitslos. Das ist ein Zuwachs von 1.300 oder 78% gegenüber dem vergangenen Jahr. Junge Menschen unter 20 Jahren sind besonders betroffen. Hier liegt das Plus bei 167 %. 2/3 der arbeitslosen Menschen in Lübeck haben keine abgeschlossene Berufsausbildung, 10% keinen Hauptschulabschluss.

„Der Traum ist ausgeträumt, den Arbeitsplatzabbau im Rahmen des Strukturwandels in der Stadt Lübeck allein durch den Ausbau des Dienstleistungssektors auffangen zu könne“, so der Chef des DGB Schleswig-Holstein Süd. „Wir müssen ganz eindeutig mehr für die Industrie und das verarbeitende Gewerbe tun. Noch haben wir dort eine gute Substanz. Hier sind 14.000 Menschen beschäftigt. Dieses ist jeder fünfte Arbeitsplatz. Diese Substanz bröckelt aber von Jahr zu Jahr. In den letzen 5 Jahren sind 3.600 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Lübeck abgebaut worden“.

Uwe Polkaehn betont, dass Bestandspflege und Akquise von Arbeitsplätzen sehr wichtig sind. “ Wir brauchen das verarbeitende Gewerbe, denn ohne Industrie gibt es keine modernen Dienstleistungen. Den Zusammenburch des verarbeitenden Gewerbes in der Stadt als unvermeidlichen Strukturwandel zu betrachten, ist falsch“.

Der DGB-Chef fordert klare Strukturen, hierzu gehören unter anderem eine „One-Step-Anlaufstelle“ und ein kompetenter Ansprechpartner in der Stadt für Neuinvestoren. Diese Erkenntnis müsse Einzug halten in der Lübecker Politik.

„Dienstleistungen können nicht wachsen, wenn die materielle Basis fehlt. Gegen die gravierenden Unterschiede von bis zu 20% bei der Investitionsförderung wird man in Lübeck nicht ansubventionieren können. Trotzdem besteht kein Anlass, dass die Stadt wie das Kaninchen vor der Schlange erstarrt – genauso wenig, wie über die Ungerechtigkeiten des Fördergefälles zu lamentieren“.

„Es gibt keinen Königsweg zur Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit in Lübeck“, so der DGB-Chef. Deshalb fordert Uwe Polkaehn:

1. Es muss in Lübeck ein Netzwerk für regionale Beschäftigungsförderung aufgebaut werden.
2. Die Koordination der Hilfsangebote muss verbessert werden. Dieses betrifft die Zusammenarbeit von Schulen und Arbeitgebern, SGB III und SGB II und den Trägern von Benachteiligtenförderung sowie einen systematischen Aufbau und eine Verkettung von Maßnahmen passend zum Lebenslauf von Jugendlichen. Hierbei müssen Qualifizierungsketten zwischen Schule, Ausbildung und Beschäftigung geschaffen werden.

„Kommunale Arbeitsmarktpolitik ist dann erfolgreich, wenn die Zusammenarbeit aller Akteure am Arbeitsmarkt funktioniert. Kommunalpolitik, Arbeitsagentur, Wirtschaft und Gewerkschaften sind gefordert“, so Uwe Polkaehn. Forderung nach Abschaffung des Flächentarifvertrages lehnt er ab. „Die Tarifverträge haben in vielen Jahrzehnten den sozialen Frieden gesichert und sorgen für einigermaßen gleiche Vertragsbedingungen“.

Uwe Polkaehn ist 49 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei Kindern. In der Freizeit engagiert sich der Gewerkschaftschef im Sport. Er ist begeisterter Fußballer und fährt gerne Ski. Uwe Polkaehn übernimmt in seiner Eigenschaft als DGB-Regionalvorsitzender gemeinsam mit IHK Präses Bernd Jorkisch und Handwerkskammerpräsident Horst Kruse die Schirmherrschaft über das Benefizkonzert des Lions-Clubs Lübeck, das am 25. Juni 2005 in der Jakobikirche stattfinden wird. „Der Erlös wird dem Erhalt des Jakobikirchturms zugute kommen“, so Uwe Polkaehn.

Ab dem 1. Mai 2005 startet der DGB eine Werbeaktion in Lübeck zum Thema „Guter Lohn für gute Arbeit! Arbeit und sozial Gerechtigkeit. Mitmachen und mitbestimmen“. Hierzu werden für mehrere Monate mehrere Busse der Stadtwerke Lübeck als Werbeträger durch die Stadt fahren.

Weitere Informationen gibt’s bei DGB unter unter: http://www.dgb-sh-ost.de/