Das interaktive Online-Magazin seit 1999

Aktuelle Nachrichten, lokale Themen aus Kultur, Wissenschaft, Sport, Politik, Wirtschaft, Rezensionen und Veranstaltungen

Besondere Neuigkeiten

LKA-SH: Historische Luftbilder in neuer Qualität: Menschen mit Behinderung scannten 26000 Fotos für den Kampfmittelräumdienst Schleswig-Holstein

Kiel (ots) – Um Grundstücke und Areale hinsichtlich ihrer Kampfmittelbelastung einschätzen zu können, ist die Auswertung historischer Luftbilder der Alliierten aus dem Zweiten Weltkrieg für die Experten vom Kampfmittelräumdienst Schleswig-Holstein ein unverzichtbares Hilfsmittel. Neben der Erfahrung der Luftbildauswerter und weiteren Archivalien spielt dabei auch die Qualität der Bilder eine große Rolle. 26.000 dieser wertvollen Luftbilder sind jetzt im Auftrag des Landeskriminalamtes in einer Kooperation der Werkstätten Materialhof und den Werkstätten Rendsburg-Fockbek neu gescannt worden – ein Gewinn für alle Beteiligten. Manfred Schulz, Beschäftigter im „Lettershop“ der Werkstätten Materialhof, sowie Bernd Fischer und Michael Neumann aus der Druckerei der Rendsburger Werkstätten – beides Einrichtungen der Gruppe Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie – blicken nach eineinhalb Jahren intensiver Arbeit mit dem Bildmaterial des Kampfmittelräumdienstes fast ein bisschen wehmütig auf diesen besonderen Auftrag zurück. Durch ihre Hände sind 26.000 Luftaufnahmen gegangen, die wichtige Hinweise auf Munitionsaltlasten im schleswig-holsteinischen Erdreich liefern können. Sie haben sie sortiert, geglättet, gescannt und in hochwertiger Qualität bei den Luftbildauswertern abgeliefert. Wo vorher nur unscharfe Konturen zu sehen waren, sind Bombenkrater und Verdachtspunkte für Blindgänger nun deutlich zu erkennen. „Wir sind begeistert von der Güte der Bilder“, fasst Uwe Kuenzel, Leiter des Kampfmittelräumdienstes, das Ergebnis zusammen. Luftbildauswerter Kai Jensen hat das Projekt für den Kampfmittelräumdienst betreut und weiß, wieviel Arbeit dahinter steckt. „Die gesamte Datenbank musste aktualisiert und jedes Bild einzeln auf den Scanner gelegt werden.“ Positiver Nebeneffekt: „Wir wissen jetzt genau, wo welches Bild zu finden ist.“ Und das ist auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende enorm wichtig: Rund 45.000 Tonnen Munition sind im Zweiten Weltkrieg über Schleswig-Holstein abgeworfen worden, allein 29.000 Tonnen über Kiel. „Da gibt es noch viel Arbeit.“ Der Bildbestand umfasst insgesamt 74.518 Luftbilder, die jetzt alle in digitalisierter Form vorliegen. „Nach Schätzungen haben die Alliierten ungefähr 150.000 Luftbilder von Schleswig-Holstein gemacht“, sagt Jensen. Es gibt Vorher-/Nachher-Bilder der Luftangriffe, auf denen die Bombenabwürfe und ihre Wirkung genau dokumentiert sind. Das historische Material hat seinen Preis: 65 Euro kostet ein einzelnes Bild, das laut Staatsvertrag nur zweckgebunden genutzt werden darf. Dafür sollen die Bilder Informationen über Verdachtsflächen und Kampfmittelbelastung liefern – in möglichst guter Auflösung. Alan Bock, Leiter der Luftbildauswertung, ist mit seinem fünfköpfigen Team darauf spezialisiert, die stecknadelkopfgroßen Verdachtspunkte auf den Fotos zu erkennen und zu analysieren. Es gilt: Wo Bomben gefallen sind, könnten noch Blindgänger liegen. Dass jetzt alle Luftbilder in hoher Auflösung digital zur Verfügung stehen, betrachtet Bock als großen Fortschritt. „In digitaler Form können wir die Bilder nicht nur schneller finden, sondern auch direkt am Bildschirm mit aktuellen Luftaufnahmen vergleichen.“ Die Projektbeteiligten der Werkstätten Materialhof und Rendsburg-Fockbek sind ebenfalls begeistert von der gelungenen Zusammenarbeit. „Wir haben uns über diesen Auftrag sehr gefreut“, sagt Silke Meyer, zuständig für Arbeits- und Berufsförderung in den Werkstätten Materialhof, die Menschen mit seelischen Handicaps berufliche Bildung und Arbeit bieten. Die 12 Beschäftigten des „Lettershops“ sind neben der Verarbeitung von Papier auf die Digitalisierung verschiedener Medien spezialisiert. „Es war gleich klar, dass wir uns den Auftrag mit der Druckerei der Rendsburger Werkstätten teilen“, berichtet Meyer. Wichtig für die Beschäftigten: Es gab keinerlei Zeitdruck, da die Bilder ja zumindest in der alten Version vorlagen. Ihre gründliche Arbeit könnte dazu beitragen, dass die Zeit für viele Blindgänger in Schleswig-Holstein bald abgelaufen ist.

Quelle: presseportal.de