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MEDIKAMENTENMISSBRAUCH FREI HAUS – VERSANDAPOTHEKEN BERATEN UND PRÜFEN LASCH

Seit 2012 schreibt die Apothekenbetriebsordnung sämtlichen zugelassenen Apotheken – stationär wie im Versandhandel tätig – zwingend vor, im Fall einer beabsichtigten Selbstmedikation zu prüfen, ob ein gewünschtes Arzneimittel geeignet erscheint oder ein Arzt um Rat gefragt werden sollte. Bei Missbrauchsverdacht darf ein Medikament nicht abgeben werden. Wie Apotheken bei einer Bestellung im Internet ihre Kunden vor möglichen Risiken und Nebenwirkungen warnen und passend beraten, hat die Verbraucherzentrale NRW im April bei 50 Versandapotheken durch einen Testkauf untersucht.

Hierzu bestellten die Verbraucherschützer jeweils fünf Packungen mit 20 Tabletten Betadorm-D, einem Mittel zur Behandlung von Schlafstörungen, das bei Dauergebrauch jedoch abhängig machen kann. Preis pro Packung im Schnitt 7,05 Euro. In dem Begleittext hatten sich die Tester als chronisch an Schlafstörungen leidende Kundin ausgegeben, die mit der Bestellung ein wirksames und verträgliches Mittel zur dauerhaften Einnahme suche und hierzu noch passende Hinweise benötige. Solche exemplarischen Patientenanfragen verpflichten die Versandapotheken zu einer eingehenden Beratung und gegebenenfalls auch zum Einschreiten. Denn bestellt hatte die vermeintliche Patientin auf einen Streich mit 100 Tabletten das Fünffache der empfohlenen Höchstmenge. Die Packungsbeilage rät jedoch nur zur Einnahme einer Tablette täglich – maximal 14 Tage lang. Bei langfristiger Einnahme steige die Gefahr, abhängig zu werden. Besonders gefährdet seien Personen mit einer Suchtvorerkrankung.

Lediglich fünf Versandapotheken berücksichtigten diese Warnhinweise und handelten nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW korrekt, indem sie die Abgabe des Medikaments komplett verweigerten. 30 haben hingegen die gewünschte Menge geliefert. Acht der fernen Pillenlieferanten reduzierten die Bestellmenge und lieferten nur eine Packung. Jeweils drei warteten mit zwei und drei sowie eine Apotheke mit vier Tablettenschachten auf.

Parallel zur Bestellung interessierten sich die Tester auch für die Qualität der begleitenden Beratung. Hierbei hielt jede zehnte Versandapotheke es nicht für nötig, auf die beigefügte E-Mail-Anfrage zu reagieren. Die anderen 90 Prozent patzten in punkto ausreichender Beratung: Sechs Apotheken versäumten den wichtigen Hinweis, dass das Medikament nur kurzfristig einzunehmen sei. Auf Neben- und Wechselwirkungen wies rund jede vierte Apotheke hin; jede dritte verzichtete auf den Rat zu dringendem Arztbesuch. Nur knapp 30 Prozent erkundigten sich nach der bisherigen Medikation. Mit Blick auf dieses Ergebnis erfüllen nur sechs der 45 antwortenden Apotheken (13,3 Prozent) die von der Verbraucherzentrale definierten Mindestkriterien für die Beratung.

„Unterm Strich nehmen die Versandapotheken ihre Informations- und Beratungspflichten nicht ernst genug und ignorieren die Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung“, kommentiert NRW-Verbraucherzentralenchef Müller das Ergebnis des Testkaufs. Versandapotheken müssten einem möglichen Missbrauch von Medikamenten umsichtiger entgegentreten. Der Versandhandel mit Pillen, Tinkturen und Salben brauche klarere Regeln für eine bessere Arzneimittelsicherheit. „Dann sind auch Internetapotheken eine echte Alternative zu den stationären Apotheken“, so Müller.

Die komplette Studie der Verbraucherzentrale NRW zum Medikamentenkauf bei Versandapotheken – mit weiteren Ergebnissen zu Preisen, Versand- und Lieferbedingungen – gibt’s im Internet unter www.vz-nrw.de/Versandapotheken.