Das interaktive Online-Magazin seit 1999

Aktuelle Nachrichten, lokale Themen aus Kultur, Wissenschaft, Sport, Politik, Wirtschaft, Rezensionen und Veranstaltungen

Politik & Wirtschaft

„Mehr Autonomie, Qualität und Wettbewerb statt staatlicher Regulierung“ Interview mit Professor Dr. Norbert Klusen, Vorsitzender des Vorstandes der TK, zur Gesundheitsreform

Für 2011 wurde ursprünglich ein Defizit von elf Milliarden in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) prognostiziert. Daher sollen auch die Mitglieder ihren Beitrag leisten, um die Finanzlücke zu stopfen: Zum 1. Januar 2011 steigt der allgemeine Beitragssatz von 14,9 auf 15,5 Prozent. Die Arbeitnehmer tragen hiervon 8,2 Prozent und der Arbeitgeberanteil wird auf 7,3 Prozent eingefroren. Was halten Sie von dieser Verteilung?Klusen: Ich halte es nicht für richtig, die Arbeitnehmer künftige Kostensteigerungen im Gesundheitswesen allein tragen zu lassen. Man sollte die Arbeitgeber nicht aus der finanziellen und solidarischen Verantwortung für die künftige Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen entlassen. Sie sollten anhand konjunktureller Kriterien an der Finanzierung beteiligt werden: Wenn die wirtschaftliche Entwicklung bergauf geht, kann man den Arbeitgeberanteil erhöhen. Schließlich nutzt ein funktionsfähiges Gesundheitssystem den Betrieben. Im internationalen Vergleich stehen deutsche Unternehmen  bei den Arbeitgeberbeiträgen zur Krankenversicherung übrigens gut dar. Das Argument der Regierung, man wolle zukünftig keine Arbeitsplätze durch steigende Lohnkosten gefährden, ist daher nicht schlüssig. Ein Wettbewerbsnachteil durch hohe Sozialbeiträge existiert aus meiner Sicht hierzulande nicht.

Kommt eine Kasse nicht mit ihren Einnahmen aus, kann sie künftig Zusatzbeiträge in unbegrenzter Höhe verlangen. Muss ein Mitglied mehr als zwei Prozent seines Einkommens für einen von der Regierung festgelegten fiktiven durchschnittlichen Zusatzbeitrag aufwenden, soll ein Sozialausgleich greifen. Wie schätzen Sie die Entwicklung bei den Zusatzbeiträgen ein und wie bewerten Sie den geplanten Sozialausgleich?

Klusen: Die geplanten Einsparungen in verschiedenen Leistungsbereichen und die Beitragserhöhung nehmen kurzfristig Druck aus dem Gesundheitssystem. Das Problem wird dadurch allerdings nur um ein oder zwei Jahre aufgeschoben. Gesundheit wird auch zukünftig ihren Preis haben. Die Regierung rechnet für 2012 mit einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von vier Euro im Monat, 2013 sollen es etwa neun Euro sein und 2014 bereits 15 Euro. Spätestens 2013 werden viele Kassen Zusatzbeiträge erheben müssen. Die TK ist wirtschaftlich stabil und wird deshalb noch länger auf Zusatzbeiträge verzichten können. Besorgniserregend finde ich die Finanzierung des Sozialausgleichs. Für mich steht fest, dass er von Anfang an vollständig aus Steuermitteln finanziert und auch langfristig nicht aus dem Gesundheitsfonds beglichen werden darf. Die Berechnungen sagen aber leider etwas anderes: Der voraussichtliche Sozialausgleich beträgt von 2012 bis 2014 kumuliert etwa 5,7 Milliarden Euro. Damit liegt er deutlich über den zwei Milliarden Euro Steuermitteln, die im Haushaltsbegleitgesetz für 2011 zusätzlich vorgesehen sind. Das heißt im Klartext: Der Sozialausgleich wird überwiegend aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert. Das ist aber nicht Sinn und Zweck der Liquiditätsreserve. Und 2014 wird sie voraussichtlich nicht mehr ausreichen. Wenn der Bund dann nicht erneut für eine zusätzliche Finanzspritze sorgt, erhöht dies den durchschnittlichen Zusatzbeitrag. Dadurch steigt wiederum der erforderliche Sozialausgleich und damit zwangsläufig der Zusatzbeitrag. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Der Sozialausgleich darf nicht über die Liquiditätsreserve finanziert werden. Dies widerspricht dem eigentlichen Ziel der Liquiditätsreserve, Einnahme- und Ausgabenschwankungen des Gesundheitsfonds abzufedern. Außerdem verfehlt diese Regelung die politische Absicht, den Sozialausgleich gerechter zu gestalten. Entscheidend ist für mich, dass der Sozialausgleich aus Steuermitteln gerecht erfolgt, damit niemand über Gebühr belastet wird und die Solidarität gewahrt bleibt. Deshalb sollte ein Sondervermögen aus Bundesmitteln aufgebaut werden, aus dem der Sozialausgleich zu hundert Prozent finanziert wird. Außerdem wird mit dem Sozialausgleich, wie er jetzt geplant ist, das ganze System noch bürokratischer. Mit ihm kommt ein völlig neues verwaltungstechnisches Verfahren auf uns zu, das zu erheblichem Mehraufwand führt.

Die private Krankenversicherung (PKV) wird durch die Gesundheitsreform gestärkt. Unter anderem erleichtert die Bundesregierung Mitgliedern, deren Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze von 4.162,50 Euro im Monat liegt, den Wechsel zu einer privaten Krankenversicherung. Wie beurteilen Sie die Maßnahmen?

Klusen: Hier werden Interessen bedient. Die Koalition stärkt den Privaten den Rücken und schadet damit dem Solidarsystem. Bisher konnte man als Gutverdiener nach drei Jahren in die private Versicherung wechseln. 2011 ist es bereits nach einem Jahr möglich, dem Solidarsystem den Rücken zu kehren. Zwar tritt die Gesundheitsreform erst am 1. Januar 2011 in Kraft, die Regelung zur Wechselfrist wird allerdings schon zum 31. Dezember 2010 wirksam. Somit ist der Übertritt in die PKV schon zum Jahresanfang 2011 möglich. Das kostet die GKV mehrere Hundert Millionen Euro. Die Privaten werden in mehrfacher Hinsicht  auf Kosten der GKV subventioniert. So soll die PKV auch im Rahmen des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) von den Preisverhandlungen profitieren, die die gesetzlichen Krankenkassen ab 2011 mit den Pharmafirmen führen. Wenn die PKV von der Bundesregierung als Vorzeigeversicherung propagiert wird, übersieht sie die Schwächen des Systems. Privat Krankenversicherte mussten 2010 rund sechs Prozent durchschnittlich mehr zahlen. Innerhalb der letzten zehn Jahre verteuerten sich einige Tarife um mehr als 3.500 Euro pro Versichertem. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Analysehauses Morgen & Morgen. Laut einer Umfrage von „Spiegel Online“ unter den 15 größten Privatversicherern sind für 2011 Preiserhöhungen von rund sieben Prozent geplant. Wer jung und gesund ist, wird angelockt. Im Alter wendet sich das Blatt dann oft. Die Prämien steigen viel schneller und drastischer, als dieses in der GKV jemals passieren könnte. Problematisch wird es auch, wenn der Kunde die Versicherung wechseln möchte. Privatversicherte, die jenseits der 30 sind, werden von anderen Versicherern kaum noch oder nur gegen hohe Prämien angenommen. Von einer Überlegenheit des privaten Krankenversicherungssystems kann keine Rede sein.

Rund 150.000 Kassenärzte und Psychotherapeuten können sich über einen warmen Geldregen freuen: Zunächst wurde ihnen für 2011 eine Milliarde Euro mehr zugedacht. Die Ärzte hatten sogar zwei Milliarden, die Kassen eine Nullrunde gefordert. Trotzdem forderten die Ärzte einen weiteren Nachschlag von 175 Millionen Euro. Insbesondere die Bayern beschwerten sich, dass sie durch die Vereinheitlichung des Honorars benachteiligt würden. Daraufhin wurde im Herbst 2010 beschlossen, dass die Kassenärzte und Psychotherapeuten zusätzlich 120 Millionen Euro erhalten. Dieses Geld soll linear über alle 17 Kassenärztlichen Vereinigungen hinweg verteilt werden. Was sagen Sie dazu?

Klusen: Ich halte das für eine Klage auf hohem Niveau. Die Ausgaben der Kassen für die Ärztehonorare werden von 32 Milliarden Euro in diesem Jahr auf über 33 Milliarden anwachsen. Die Ärzte haben im Vergleich zu anderen freien Berufen ein überdurchschnittliches Einkommen. Insgesamt erhöht sich das durchschnittliche Jahres-Einkommen damit von 164.000 Euro um rund 7.320 Euro je Arzt. Ich gönne wirklich jedem, der gute Arbeit leistet, auch eine gute Bezahlung. Allerdings halte ich die weitergehende Forderung, der man dann auch noch nachgekommen ist, für überzogen. Im Schnitt ist das Honorar der niedergelassenen Ärzte 2009 um elf Prozent gestiegen. Dass die Bayern sich darüber beschwerten, nur den süßen Senf von der Weißwurst abzubekommen, ist in zweierlei Hinsicht inakzeptabel: Dadurch, dass jetzt noch zusätzliches Geld an die Ärzte fließt, die beim letzten Mal weniger bekommen haben, ufert der Honorarzuwachs aus. Bezahlen müssen das die Kassen und schließlich die Mitglieder. Besonders irritiert mich auch die Begründung, dass die Qualität der medizinischen Versorgung in Bayern besser sei und die bayerischen Ärzte damit eine höhere Bezahlung verdient hätten als ihre Kollegen in anderen Ländern.

Die Regierung hat vorgegeben, dass die Honorarsteigerungen bei den Hausärzten begrenzt werden, um so 500 Millionen Euro einzusparen. Die Hausärzte sollen keine größeren Honorarzuwächse bekommen als die Gesamtheit der anderen Arztgruppen. Bisher konnte ihr Verband in zahlreichen „Hausarztverträgen“ mit Krankenkassen einen Zuschlag auf das normale Honorar durchsetzen – unter anderem deshalb, weil die Kassen gesetzlich verpflichtet sind, diese Verträge abzuschließen. Versicherte können sich freiwillig in Hausarztverträge einschreiben. Die Hausärzte fühlen sich ungerecht behandelt. Deshalb kam es sogar zu Streiks. Finden Sie die Proteste berechtigt?

Klusen: Grundsätzlich halte ich den Zwang des Gesetzgebers, Hausarztverträge abschließen zu müssen und sogar den Vertragspartner vorzugeben, für wettbewerbshemmend und falsch. Außerdem sollten bestehende Verträge ein Sonderkündigungsrecht erhalten. Durch den Bestandsschutz für bestehende Hausarztverträge, der ursprünglich bis zum 31. Dezember 2012 vorgesehen war und dann auch noch bis zum 30. Juni 2014 verlängert wurde, kommt es zu gravierenden Wettbewerbsverzerrungen. Die Kassen, die sich an den verpflichtenden Abschluss von Verträgen gehalten haben, werden damit bestraft. Die TK hat die gesetzlichen Regelungen beachtet. Ich erwarte auch von den Ärzten, dass sie sich an Verträge halten. Sie dürfen den Streit um die hausarztzentrierte Versorgung keinesfalls durch Schließungen von Praxen auf dem Rücken der Patienten austragen. Die flächendeckende Gesundheitsversorgung der Versicherten muss ohne Wenn und Aber gewährleistet sein. Im Übrigen werden die Honorare für Hausärzte nicht gekürzt, sondern die Steigerungsraten begrenzt. Prinzipiell halte ich es für sinnvoll, die Rolle der Hausärzte zu stärken, um so Arztbesuche und Arzneimittelverschreibungen zu steuern. Damit ist für mehr Effizienz gesorgt. Ich erwarte allerdings auch eine qualitativ hochwertige Aus- und Weiterbildung und eine gute medizinische Vernetzung der Hausärzte. Man kann nicht immer nur höhere Honorare verlangen, sondern muss auch belegen, dass man die Patienten erfolgreich durchs Gesundheitssystem lotst. Wir werden sehr genau verfolgen, ob die Verträge für bessere Qualität sorgen und wirtschaftlich sind. Wenn die Verträge nur viel Geld kosten und keinen Nutzen bringen, sind sie überflüssig.

Die Pharma-Hersteller beklagen sich darüber, dass ihnen zukünftig nicht mehr genügend Geld zur Verfügung stehe, um die besten Medikamente entwickeln zu können. Hintergrund: Das neue Pharmasparpaket sieht unter anderem vor, dass die Hersteller Preise mit den Kassen aushandeln müssen. Die Arzneimittelpreise sollen dadurch sinken. Schließlich waren die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen 2009 um rund 1,5 Milliarden auf mehr als 32 Milliarden Euro gestiegen. Wie beurteilen Sie die Einsparpläne?

Klusen: Eins ist ganz klar: Das teuerste Medikament ist nicht immer das beste. Außerdem investieren die Pharma-Hersteller mehr Geld in ihr Marketing als in die Entwicklung. Grundsätzlich begrüße ich die Ansätze des Sparpaketes. Die Rabattverträge sind ein guter Anfang und dämpfen den Ausgabenanstieg wirksam. Allerdings sehe ich noch größeres Einsparpotenzial: Es wäre zum Beispiel effizient, wenn die Kassen mehr Freiheiten bekämen, eigene Verträge mit Arzneimittelherstellern für alle Medikamente zu schließen. Jede Kasse sollte selbst bestimmen können, welche Arzneimittel sie für ihre Versicherten auswählt. Der Gesetzgeber kann den Rahmen festlegen, zum Beispiel, dass Kassen Verträge für alle Wirkstoffgruppen abdecken müssen. Ist ein Produkt zu teuer, hätte man dann die Möglichkeit, auf Alternativen auszuweichen. So wäre die Pharmaindustrie gezwungen, über Preise zu verhandeln, und die Versicherten hätten einen weiteren Anhaltspunkt, um entscheiden zu können, welche Kasse die beste Versorgung bietet. Sinnvoll wäre es auch, die Mehrwertsteuer für  Medikamente auf den reduzierten Satz von sieben Prozent zu senken. Warum gilt für lebenswichtige Medikamente der volle Satz, während Hotelübernachtungen ermäßigt sind? Nach unseren Berechnungen hätte die GKV allein im Jahr 2009 insgesamt 3,1 Milliarden Euro sparen können, wenn für Arzneimittel der ermäßigte Steuersatz gelten würde.

Auch wenn die Gesundheitspolitik kein Wunschkonzert ist. Wie sieht ihre Zukunftsmusik für das Gesundheitswesen aus? Inwieweit sehen Sie durch die neueste Gesundheitsreform Chancen für mehr Wettbewerb?

Klusen: Ich wünsche mir mehr Autonomie, Qualität und Wettbewerb statt staatlicher Regulierung. Das GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG) bleibt dahinter zurück. Die größte Wettbewerbsbremse ist die Verkürzung der Wartefrist für Versicherte zum Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung von drei Jahren auf ein Jahr. Das ist kein Beitrag zur Stärkung des Wettbewerbs, sondern bedient partikulare Interessen. Die Änderungen zum Vorteil der Privaten lassen bisher nicht die Bereitschaft erkennen, den Wettbewerb zwischen GKV und PKV in gleicher Weise für beide Systeme auszubauen und funktionsfähiger zu gestalten. Die meisten Gesundheitsreformen legen ihr Hauptaugenmerk auf die Finanzen. Das ist sicher ein wichtiger Faktor. Allerdings kommen dabei wesentliche Punkte zu kurz. Um das Vertrauen der Versicherten in das Gesundheitssystem zu stärken, halte ich es für entscheidend, sich auf die Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung und auf mehr Transparenz zu konzentrieren.

Außerdem würde ich mir wünschen, dass die gesetzlichen Krankenkassen mehr Autonomie bekommen, um im Interesse der Versicherten entscheiden zu können. Die Abhängigkeit vom Staat hat das Gesundheitssystem bisher nicht verbessert. Ich bin dafür, dass die GKV eine private Rechtsform erhält – und zwar im Sinne eines Unternehmens, das keine wirtschaftlichen Gewinnziele für sich selbst verfolgt, sondern zum Beispiel als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (das war die TK übrigens bis 1927) oder als Genossenschaft das Interesse ihrer Mitglieder vertritt. Auch eine Beitragssouveränität wäre wünschenswert, weil sie den Wettbewerb wieder stärken würde. Der staatlich festgelegte Beitragssatz engt die wettbewerblichen Spielräume der Krankenkassen zu sehr ein. Die Aufhebung des Ein-Prozent-Deckels bei den Zusatzbeiträgen ist schon einmal ein wichtiger Schritt, um den Preiswettbewerb unter den Kassen zu fördern. Ein echtes Wettbewerbshemmnis ist dagegen der Gesundheitsfonds mit dem erweiterten Risikostrukturausgleich. Dieser so genannte Morbi-RSA setzt völlig neue – und falsche – Anreize. Für ein gesundes Mitglied erhalten die gesetzlichen Versicherer nur noch einen schmalen Pauschbetrag. Der Morbi-RSA macht es lohnenswert, möglichst viele Versicherte zu haben, die unter einer relevanten Krankheit leiden. Das schafft Anreize für ein Volk von Dokumentationskranken. Außerdem wird ein Versicherer, der zum Beispiel spezielle Angebote zur Linderung von Volkskrankheiten wie Rückenschmerzen anbietet, in zweifacher Hinsicht bestraft: Einmal, weil er das Geld in das Programm investieren muss, und darüber hinaus, weil er im Falle eines Behandlungserfolges seinen Zuschlag aus dem Fonds verliert.

Außerdem brauchen wir mehr Wettbewerb auf der Ausgabenseite, so zum Beispiel im Krankenhausbereich, in den rund ein Drittel aller GKV-Ausgaben fließen. Für planbare Operationen und wählbare Leistungen müsste es für die Kassen die Möglichkeit geben, nur Verträge mit Kliniken abzuschließen, die nachweislich eine hohe Behandlungsqualität aufweisen.


Maßnahmenpaket zur Reform des Gesundheitswesens:  Gesetze, Ziele und Finanzierung

In ihrem Koalitionsvertrag verständigten sich CDU, CSU und FDP Ende 2009 darauf, das Gesundheitssystem vor den Herausforderungen der Zukunft stabiler, fairer und transparenter zu gestalten. Mit dem GKV-Änderungsgesetz (GKV-ÄndG), dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) und dem GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG) sind umfassende sowohl kurz- als auch langfristig wirkende Maßnahmen vom Gesetzgeber beschlossen worden.

Das GKV-Änderungsgesetz trat bereits am 1. August 2010 in Kraft. Durch die im Gesetz festgeschriebene Erhöhung der Herstellerrabatte von sechs auf 16 Prozent für Arzneimittel ohne Festbetrag soll im Gesundheitssystem ein neuer finanzieller Spielraum geschaffen werden. Um den Anstieg der Arzneimittelkosten zu verringern, gilt für Medikamente, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden, bis 2013 ein Preisstopp. Der Zuwachs der Arzneimittelausgaben betrug allein im Jahr 2009 5,3 Prozent. Vor allem Arzneimittel ohne Festbetrag (2009: plus 8,9 Prozent) verursachten den Kostenanstieg von rund 1,5 Milliarden auf insgesamt 32 Milliarden Euro.

Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, setzt die Bundesregierung mit dem AMNOG auf einen Kurswechsel in der Arzneimittelpolitik. Dabei wird nicht mehr allein auf kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Kostendämpfung zurückgegriffen. So muss die pharmazeutische Industrie zukünftig den Zusatznutzen für alle neuen Arzneimittel nachweisen und Studien offenlegen. Dabei bleibt der freie Marktzugang erhalten und die Preise werden mit der gesetzlichen Krankenversicherung verhandelt. Zudem haben Versicherte künftig über eine Mehrkostenregelung die Möglichkeit, ihr gewohntes Arzneimittel zu erhalten, auch wenn dieses nicht rabattiert ist. Außerdem wird die unabhängige Patientenberatung als feste Leistung etabliert. Der Bundestag hat dem AMNOG am 11. November 2010 zugestimmt. Im November und Dezember 2010 folgten Lesungen im Bundesrat zum Gesetz. Das AMNOG benötigt nicht die Zustimmung des Bundesrates und tritt am 1. Januar 2011 in Kraft.

Mit dem Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz GKV-FinG) werden die am 6. Juli 2010 vorgelegten Eckpunkte „Für ein gerechtes, soziales, stabiles, wettbewerbliches und transparentes Gesundheitssystem“ umgesetzt. Ziel des Gesetzes ist es, die Ausgaben zu stabilisieren, die Finanzierung auf eine solide Basis zu stellen, Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb zu schaffen und für einen zielgenauen und gerechten Sozialausgleich zu sorgen. Das GKV-FinG erhielt am 12. November 2010 grünes Licht von Bundestag. Weitere Lesungen folgten im November und Dezember im Bundesrat, der aber nicht zustimmen muss. Das GKV-FinG tritt zum 1. Januar 2011 in Kraft.

Die Regierungskoalition will mit dem Gesetz die Finanzausstattung der gesetzlichen Krankenversicherung langfristig auf ein sicheres Fundament stellen. Ursprünglich hatte die Regierung für 2011 ein Defizit von rund elf Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung erwartet. Nach jüngsten Schätzungen wird sich das Defizit bei etwa neun Milliarden Euro bewegen.

Das Gesetz umfasst ein Bündel an Einsparungen und Ausgabenbegrenzungen bei verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens wie Krankenkassen, Ärzten und Krankenhäusern. Außerdem wird zur „Stärkung der Finanzierungsgrundlagen“ der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung auf 15,5 Prozent erhöht.

Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) betragen die geplanten Einsparungen durch das GKV-FinG zusammen mit den ausgabenbegrenzenden Maßnahmen durch das GKV-ÄndG sowie das AMNOG im Jahr 2011 rund 3,5 Milliarden Euro und  2012 rund vier Milliarden Euro. Durch Beitragserhöhungen sollen etwa 6,3 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds fließen. Der Bund füllt den Fonds durch einen einmaligen Steuerzuschuss von zwei Milliarden Euro auf.

Wer muss was bezahlen?

Gesetzlich Versicherte:

Ab dem 1. Januar 2011 wird für die rund 50 Millionen GKV-Mitglieder der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung von 14,9 Prozent des Bruttolohns auf 15,5 Prozent angehoben. Die Erhöhung von 0,6 Prozent wird zu gleichen Teilen vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber (siehe dazu auch „Arbeitgeber“ Seite 18) getragen. Somit hat der Arbeitnehmer ab 2011 von seinem Bruttogehalt 0,3 Prozent mehr zu bezahlen. Der Krankenkassenbeitrag für die gesetzliche Krankenversicherung beträgt dann für den Arbeitnehmer 8,2 Prozent (bisher 7,9 Prozent). Bei einem Bruttoeinkommen von 1.000 Euro werden für einen Arbeitnehmer 82 statt 79 Euro im Monat fällig, bei 1.500 Euro sind es 123 statt 118,50 Euro, bei 2.000 Euro 164 statt 158 Euro. Auch Bezieher von Betriebsrenten und Selbstständige müssen ab Januar 2011 den Beitragssatz von 15,5 Prozent bezahlen. Nicht erwerbstätige Ehepartner und Kinder sind weiterhin kostenlos mitversichert.

Durch die Beitragserhöhung sollen insgesamt etwa 6,3 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds fließen. Seit dem 1. Januar 2009 organisiert der Gesundheitsfonds die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen neu. Wesentliche Merkmale sind: Es gibt für alle Kassen einen einheitlichen Beitragssatz, den das Bundesministerium für Gesundheit festlegt; die Beiträge der Mitglieder fließen in einen gemeinsamen Topf, aus dem die Kassen pauschale Zuweisungen für jeden Versicherten erhalten, sowie ergänzende Zu- und Abschläge je nach Alter, Geschlecht und Krankheit ihrer Versicherten.

Die Grenze, ab der die Beiträge konstant bleiben und sich nicht mehr prozentual am Einkommen orientieren (Beitragsbemessungsgrenze) sinkt in der gesetzlichen Krankenversicherung von 45.000 auf 44.550 Euro im Jahr. Im Monat beträgt das Bemessungslimit dann noch 3.712,50 Euro statt bisher 3.750 Euro.

Während der Arbeitgeberbeitrag mit der neuen Höhe von 7,3 Prozent eingefroren wird, müssen die Kassenmitglieder die steigenden Gesundheitskosten für Ärzte, Kliniken und Pharmaindustrie künftig allein tragen. Entstehende Finanzlücken müssen die Mitglieder dann über Zusatzbeiträge ausgleichen.

2011 steht den gesetzlichen Krankenkassen nach Ansicht des Schätzerkreises (Fachleute des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesversicherungsamts und des Kassen-Spitzenverbands) in der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend Geld zur Verfügung. Der Gesundheitsfonds erwartet nach Berechnungen der Experten 181,1 Milliarden Euro. Die voraussichtlichen Ausgaben werden auf 178,9 Milliarden Euro beziffert. Damit können im Jahr 2011 voraussichtlich alle Ausgaben der Krankenkassen durch Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds im Durchschnitt gedeckt werden – so das Fazit der Schätzer. Für Beitragszahler heißt das, dass die Kassen – zumindest im kommenden Jahr – ganz überwiegend keine Zusatzbeiträge erheben müssen.

Sollte eine Kasse Zusatzbeiträge erheben, ist dieser ab dem 1. Januar 2011 nicht mehr prozentual an das Einkommen der Mitglieder gebunden. Künftig gibt es keine Obergrenze für die Zusatzbeiträge. Die Regel, dass Mitglieder höchstens mit Zusatzbeiträgen bis zu einem Prozent ihres Einkommens belastet werden dürfen, fällt weg. Der Aufschlag wird nur noch als Pauschale erhoben ‒ Gut- und Geringverdiener zahlen gleich viel. Die betroffenen Kassenmitglieder sollen allerdings nicht mit mehr als zwei Prozent ihres Bruttoeinkommens belastet werden, für höhere Beträge wird ein Sozialausgleich eingeführt. Im Schnitt wird der Zusatzbeitrag laut Regierung 2012 rund fünf Euro betragen, 2013 bei etwa neun Euro und 2014 zwischen zehn und 16 Euro liegen. Experten erwarten bis zu 80 Euro im Jahr 2020.

Auch Rentner und Bezieher von Arbeitslosengeld I müssen den Zusatzbeitrag zahlen. Für Hartz-IV-Empfänger wird er aus Bundesmitteln finanziert. Ausgenommen sind auch Mitglieder, die Kranken-, Mutterschafts- oder Elterngeld empfangen. Für Sozialhilfebezieher bleibt es bei der derzeit bestehenden Regelung, dass für diese ein individueller Zusatzbeitrag der Krankenkassen zur Anwendung kommt, dieser jedoch – wie bisher – grundsätzlich von den Trägern der Sozialhilfe übernommen wird. Studenten müssen den Zusatzbeitrag zahlen, wenn sie selbst Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse und nicht beitragsfrei über die Eltern mitversichert sind. Das geht bis zum 25. Lebensjahr.

Ein Sozialausgleich soll die Regelung der Zusatzbeiträge gerechter machen. Hierbei wird vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen nach Auswertung der Ergebnisse des Schätzerkreises das Kassen-Defizit für das jeweils folgende Jahr geschätzt. Dieser Betrag wird durch die Anzahl der Mitglieder geteilt. Das ergibt einen durchschnittlichen Zusatzbeitrag. Dieser Durchschnittswert wird im Oktober für das Folgejahr bekanntgegeben. Die Berechnung und der Ausgleich sollen automatisch über die Beitragsabführung des Arbeitgebers beziehungsweise der Rentenversicherung erfolgen. Das heißt: Arbeitgeber beziehungsweise Rentenkasse berechnen für das Mitglied, ob der durchschnittliche Zusatzbeitrag zwei Prozent des Lohns beziehungsweise der Rente übersteigt. Ist das der Fall, wird der einkommensabhängige Krankenversicherungsbeitrag um den übersteigenden Betrag gekürzt. Alle anderen Personengruppen ‒ wie  zum Beispiel Selbstständige oder Menschen mit mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungen ‒ müssen selbst einen Antrag bei der Kasse stellen.

Da die Berechnungsbasis nicht der Zusatzbeitrag der Kasse ist, sondern der offizielle Durchschnittswert, kann es sein, dass die Kasse eines Mitglieds überdurchschnittlich viel nimmt und er am Ende über den zwei Prozent landet – oder umgekehrt.

Beispiel 1:
Durchschnittlicher Zusatzbeitrag: 16 Euro
Beitragspflichtiges Einkommen: 800 Euro
Davon zwei Prozent: 16 Euro
Ergebnis: Ein Sozialausgleich findet nicht statt.

Beispiel 2:
Durchschnittlicher Zusatzbeitrag: 20 Euro
Beitragspflichtiges Einkommen: 800 Euro
Davon zwei Prozent: 16 Euro
Ergebnis: Vier Euro werden ausgeglichen, d.h., der einkommensabhängige Beitrag wird um vier Euro vermindert.

Beispiel 3:

Durchschnittlicher Zusatzbeitrag: 20 Euro

Geforderter Zusatzbeitrag der Kasse: 30 Euro

Beitragspflichtiges Einkommen: 800 Euro

Davon zwei Prozent: 16 Euro

Ergebnis: Vier Euro werden ausgeglichen und 26 Euro müssen aus eigener Tasche gezahlt werden.

Wer den Zusatzbeitrag länger als sechs Monate nicht zahlt, muss mit einer Strafgebühr von mindestens 30 Euro rechnen (Säumniszuschlag). Bleiben Säumniszuschlag und ausstehende Beiträge schuldig, wird der Sozialausgleich ausgesetzt. Der Zahlungsrückstand soll von der Kasse dafür an den Arbeitgeber gemeldet werden.

Patienten:

Für Patienten wird es ab dem 1. Januar 2011 eine neue Regelleistung von der gesetzlichen Krankenversicherung geben: eine unabhängige Patientenberatung. Es handelt sich dabei um eine Anlaufstelle zur Orientierung, bei der man neutralen Rat bekommt, wenn es zum Beispiel um Behandlungen oder um Kostenübernahme geht.

Gesetzlich versicherte Patienten können sich anstelle des üblichen Sachleistungsprinzips für die Kostenerstattung entscheiden. Die Bindungsfrist wird von einem Jahr auf ein Vierteljahr begrenzt. So ist jederzeit die Rückkehr zum Sachleistungsprinzip möglich. Wer die Kostenerstattung wählt, erhält zunächst vom Arzt eine Privatrechnung und muss diese  nach dem Vorkasse-Prinzip selbst bezahlen. Danach kann er diese bei seiner Krankenkasse zur Erstattung einreichen. Die Kasse erstattet den Betrag in Höhe der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Den Restbetrag muss der Patient privat bezahlen.

Für die Wahltarife „Prämienzahlung“, „Kostenerstattung“ und „Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen“ wird die Bindungsfrist von drei Jahren auf ein Jahr reduziert. Durch versicherungsmathematische Gutachten müssen die gesetzlichen Krankenkassen belegen, dass Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen die langfristige Finanzierbarkeit gewährleisten. Außerdem gilt das Sonderkündigungsrecht im Falle der Einführung oder Anhebung des Zusatzbeitrags künftig auch bei den Wahltarifen (Ausnahme: Krankengeld).
Patienten, die Generika verschrieben bekommen, die ihre eigene Krankenkasse nicht erstattet, können diese künftig durch Zuzahlungen dennoch erhalten. Dafür wird eine Mehrkostenregelung eingeführt. Der Patient zahlt das Medikament zunächst selbst und reicht die Rechnung bei der Kasse ein. Diese erstattet die Kosten des Arzneimittels dann bis zu der Höhe, die ein Rabattvertragspräparat gekostet hätte. Heute sind Patienten an wirkstoffgleiche Medikamente gebunden, für die ihre Kasse mit den Herstellern Mengenrabatte vereinbart hat.

Mindestens zehn Prozent der gesetzlich Versicherten werden bis Ende 2011 eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) von ihrer Kasse erhalten. Hierzu hat die Bundesregierung die Kassen verpflichtet. Das Ziel der neuen Gesundheitskarte ist eine bessere Kommunikation unter den Ärzten, indem die wichtigsten Daten für medizinische Notfälle gespeichert sind. Als Termin zur Einführung war ursprünglich der 1. Januar 2006 geplant. Der Testlauf dieser Gesundheitskarte fand vorab in einigen Teilen Deutschlands statt.

Arbeitgeber:
Mit rund drei Milliarden Euro im Jahr mehr schlägt der Beitragssatzanstieg bei den Arbeitgebern zu Buche. Arbeitgeber zahlen zurzeit für ihre Arbeitnehmer einen Beitrag für die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von sieben Prozent des Bruttolohns. Durch die 0,6-prozentige Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes, von denen der Arbeitgeber die Hälfte übernehmen muss, zahlt er ab 1. Januar 2011 den Beitrag von 7,3 Prozent. Allerdings wird dieser Arbeitgeberbeitrag eingefroren. Der Arbeitgeber wird somit künftig von weiteren Erhöhungen der Kassenbeiträge verschont bleiben.

Steuerzahler:

Die Versicherten sollen durch Zusatzbeiträge nur bis zu zwei Prozent ihres Einkommens belastet werden. Somit müssen die Steuerzahler für den Sozialausgleich aufkommen. 2011 wird der bestehende Steuerzuschuss vom Bund für die Kassen von 15,7 auf 15,3 Milliarden Euro gesenkt. Darin ist ein Plus von zwei Milliarden enthalten. Ursprünglich war eine stärkere Senkung geplant. Für 2012 ist ein Steuerzuschuss von 14 Millionen Euro vorgesehen. 2011 bis 2014 soll der Sozialausgleich aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gedeckt werden. Die Regierung schätzt, dass 2014 weniger als eine Milliarde Euro für den Sozialausgleich aufgebracht werden muss. Danach sollen die Steuerausgaben für den Sozialausgleich pro Jahr um knapp eine Milliarde steigen.

Private Krankenversicherung (PKV):

Gutverdiener können ab 2011 nach einem Jahr statt nach drei Jahren die GKV verlassen. Erstmals seit 50 Jahren sinkt außerdem die Verdienstgrenze, ab der der Wechsel möglich ist – die so genannte Versicherungspflichtgrenze. Aktuell liegt sie bei 49.950 Euro im Jahr, ab 2011 reicht ein Verdienst von 49.500 Euro, um das Solidarsystem zu verlassen. Dem Gesetz zufolge wird die neue Wechselregelung noch zum 31. Dezember 2010 in Kraft treten, damit Personen, deren Gehalt die Grenze im Jahr 2010 überstiegen hat, die aber noch nicht die Dreijahresfrist erfüllt haben, bereits ab dem 1. Januar 2011 versicherungsfrei sind. Außerdem profitieren die privaten Kassen zukünftig von den Rabattverhandlungen der gesetzlichen Kassen mit den Arzneimittelherstellern. Bisher mussten Privatpatienten den Listenpreis des Herstellers zahlen. Im Arzneimittelsparpaket (siehe auch TK-Medienservice „Das neue Arzneimittel-Sparpaket“, Sonderausgabe August 2010) ist vorgesehen, dass die Privatversicherer für neue Medikamente nur den Preis bezahlen müssen, den die gesetzlichen Krankenkassen bei Rabattverhandlungen mit den Herstellern vereinbaren.

Pharma:

Künftig soll der Ausgabenanstieg für Medikamente gebremst werden. Das ist ein erklärtes Ziel der Gesundheitsreform. Bei den Reformen des Arzneimittelsektors ist zwischen kurzfristigen Sparmaßnahmen und langfristigen strukturellen Veränderungen zu unterscheiden. Die Regelungen des GKV-Änderungsgesetzes (GKV-ÄndG), das bereits am 1. August 2010 in Kraft trat, zielen auf schnelle Einsparungen. So wurde der Rabatt, den pharmazeutische Unternehmen für Arzneimittel ohne Festbetrag den Krankenkassen einräumen müssen, von 6 auf 16 Prozent des Abgabepreises erhöht. Außerdem ist im Gesetz ein Preisstopp für Arzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, festgelegt. Die Regelungen gelten für den Zeitraum vom 1. August 2010 bis Ende 2013. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums wird die GKV damit um rund 1,15 Milliarden Euro pro Jahr entlastet.

Dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG), dessen Entwurf im Sommer 2010 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, hat der Bundestag am 11. November 2010 zugestimmt. Das Gesetz tritt zum 1. Januar 2011 in Kraft.  Mit dem AMNOG sollen zwei Milliarden Euro eingespart werden. Im Fokus stehen insbesondere neue Medikamente, denn das BMG sieht sowohl bei der Preisbildung für innovative Arzneien als auch bei deren Nutzenbewertung einen grundlegenden Korrekturbedarf. Das Ministerium verweist darauf, dass die wachsenden Ausgaben für Arzneimittel vor allem auf hohe und stark steigende Preise bei der Markteinführung zurückgehen. Die Ausgaben für Arzneimittel ohne Festbetrag stiegen laut BMG im Jahr 2009 um 8,9 Prozent.

Konkret sieht das Gesetz eine neue Form der Preisregulierung für patentgeschützte Arzneimittel vor. Für alle neuen Arzneimittel muss der Hersteller künftig Nachweise für einen Zusatznutzen vorlegen. Die Industrie wird verpflichtet, bereits zur Markteinführung bzw. zur Zulassung neuer Anwendungsgebiete ein Dossier vorzulegen, in dem sie vor allem den zusätzlichen Nutzen des Präparates nachweist. Auf dessen Grundlage entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen (G-BA) innerhalb von drei Monaten, ob es sich um ein Arzneimittel mit oder ohne Zusatznutzen handelt. Außerdem können Medikamente gegen seltene Krankheiten, sogenannte Orphan Drugs, auf ihren Nutzen hin geprüft werden, wenn sie einen Jahresumsatz von 50 Millionen Euro überschreiten.

Für Arzneimittel ohne Zusatznutzen wird die Erstattungshöhe auf den Preis vergleichbarer Medikamente begrenzt, das heißt, sie werden in eine vorhandene Festbetragsgruppe eingeordnet. Für Arzneimittel mit Zusatznutzen vereinbart der Hersteller mit dem GKV-Spitzenverband innerhalb eines Jahres nach Marktzulassung einen zusätzlichen Rabatt. Können die Verhandlungspartner in dieser Zeit keine Einigung erzielen, setzt eine zentrale Schiedsstelle innerhalb von drei Monaten einen Rabatt fest, der rückwirkend ab dem 13. Monat nach Markteinführung gilt. Als Entscheidungsbasis sollen europäische Vergleichspreise dienen. Beide Seiten können gegen diesen Schiedsspruch Einspruch erheben und eine weitergehende Kosten-Nutzen-Bewertung verlangen. Kassen können davon aber auch – entweder einzeln oder im Verbund – abweichende Vereinbarungen mit den Arzneimittelherstellern treffen.

Zusammensetzung des Arzneimittelpreises

Bei einem rezeptpflichtigen Medikament, das 20 Euro kostet, fließen 3,19 Euro an den Fiskus, 8,35 Euro an die Apotheke, 64 Cent an den Großhandel und 7,82 Euro an den Hersteller.

Die neue Nutzenbewertung und Preisbildung ist die wichtigste Neuerung des AMNOG. Darüber hinaus enthält das Gesetz jedoch eine Reihe weiterer Reformen. Eine Auswahl:

  • Für Patienten besonders wichtig: Eine unabhängige Patientenberatung wird nach einer Modellphase eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen.
  • Generika-Rabattverträge: Patienten erhalten wieder mehr Wahlfreiheit im Rahmen des Aut-idem-Austausches und dürfen ihr gewohntes Arzneimittel behalten, auch wenn ihre Krankenkasse einen Rabattvertrag für den verschriebenen Wirkstoff geschlossen und der Arzt die Abgabe eines Rabattarzneimittels zugelassen hat. So können Patienten 2011 auch nicht rabattierte Arzneimittel auswählen. Allerdings müssen sie dafür zunächst in Vorleistung treten und das Medikament selbst bezahlen. Danach erstattet die Kasse die Kosten des Arzneimittels bis zu der Höhe, die ein Rabattvertragspräparat gekostet hätte.
  • Der Arzneimittel-Großhandel bekommt bisher einen prozentualen Aufschlag, der mit steigendem Preis eines Medikaments sinkt. Das AMNOG sieht eine neue Vergütungsstruktur für den Großhandel vor, und zwar auf Basis eines preisunabhängigen Fixzuschlags und eines prozentualen Zuschlags. Der Großhandelszuschlag wird mit Wirkung zum 1. Januar 2012 neu geregelt. Die Marge soll dann bei 70 Cent Euro pro Packung plus 3,15  Prozent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) – höchstens jedoch 37,80 Euro – liegen. Nur der prozentuale Zuschlag ist rabattfähig. Bis zur Neuregelung des Großhandelszuschlags sollen die Großhändler im Jahr 2011 für verschreibungspflichtige Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von  0,85 Prozent des ApU ohne Mehrwertsteuer den Krankenkassen erbringen. Hieraus ergibt sich laut BMG für 2011 ein Einsparbetrag von rund 200 Millionen Euro. Als Konsequenz der Umstellung der Großhandelszuschläge erfolgt auch die Umstellung der Festbeträge erst zum 1. Januar 2012.
  • Der Rabatt, den Apotheker den gesetzlichen Krankenkassen auf jedes verschreibungspflichtige Medikament gewähren müssen, wird für 2011 und 2012 von 1,75 Euro auf 2,05 Euro angehoben. Hierdurch sollen die Apotheken einen Einsparbeitrag von jährlich etwa 200 Millionen Euro erbringen. Nach zwei Jahren, also 2013, kann der Apothekenabschlag vertraglich angepasst werden.

Ärzte:

Die rund 150.000 niedergelassenen Ärzte erhalten 2011 mehr Honorar: Die Regierung beschloss eine lineare Anhebung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung um 0,75 Prozent. Dies entspricht rund 180 Millionen Euro. Zu dieser Grunderhöhung kommen geschätzte 350 Millionen Euro für Leistungen hinzu, die außerhalb des Budgets bezahlt werden. Hierunter fallen zum Beispiel ambulante Operationen und Vorsorgeuntersuchungen. Zusätzlich sollten die Ärzte ein Honorarplus von zunächst 500 Millionen Euro erhalten. Von den Ärzten wurde jedoch ein weiterer Nachschlag von 175 Millionen Euro gefordert. Einzelne Länder wie zum Beispiel Bayern beschwerten sich, dass sie durch die Vereinheitlichung des Honorars benachteiligt werden. Daraufhin wurde Ende Oktober 2010 beschlossen, dass sie weitere 120 Millionen Euro erhalten. Dieses Geld soll linear über alle 17 Kassenärztlichen Vereinigungen hinweg verteilt werden.

Rekordniveau von über 33 Milliarden Euro

Insgesamt können die Ärzte 2011 damit mit über einer Milliarde Euro zusätzlich rechnen. Die Ärzte hatten zwei Milliarden, die Kassen eine Nullrunde gefordert. Damit erreichten die Honorare ein Rekordniveau von geschätzten 33 Milliarden Euro. Bereits 2009 war das Honorar der Praxisärzte nach Kassenangaben im Vergleich zum Vorjahr um 6,3 Prozent auf 30,8 Milliarden Euro gestiegen.

Für extrabudgetär zu vergütende Leistungen (EGV) wie ambulantes Operieren, Vorsorge- und Früherkennung wird ein Fallzahl- oder Honorardeckel eingeführt. Die jeweiligen Vergütungen werden im nächsten Jahr (2011) um den Grundlohnsummenanstieg, vermindert um 0,25 Prozentpunkte, erhöht. Für 2012 gilt dann ein Abschlag von 0,5 Prozentpunkten. Die Ausgabenbegrenzung gilt nicht für neue Leistungen sowie Präventions- und Früherkennungsleistungen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, oder auf Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses basieren. Dazu gehören Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, das Hautkrebs-Screening und der Gesundheits-Check-up.
Viele Hausärzte bekommen derzeit zusätzliche Honorare, wenn sie für ihre Patienten als Lotse im Gesundheitssystem fungieren. Diese Regelung geht zurück auf die schwarz-rote Regierung, die in der letzten Legislatur den Zwang zum Abschluss von hausarztzentrierten Versorgungsverträgen (HzV) für gesetzliche Krankenkassen eingeführt hat. Die Patienten verpflichten sich dabei für ein Jahr, vor jedem Facharztbesuch ihren Hausarzt aufzusuchen. Das soll unnötige Untersuchungen vermeiden. Dieser Zwang wird auch 2011 nicht aufgehoben. Allerdings sollen bei neuen Verträgen die Hausarzthonorare in Zukunft insgesamt nicht stärker steigen als die anderer Kassenärzte. 500 Millionen Euro sollen so eingespart werden. Für die Hausarztverträge gibt es einen Bestandsschutz bis zum 30. Juni 2014. Ursprünglich war dafür als Frist der 31. Dezember 2012 vorgesehen.

Bei den Zahnärzten werden die Vergütungen im nächsten Jahr (2011) um den Grundlohnsummenanstieg, vermindert um 0,25 Prozentpunkte, erhöht. Für 2012 gilt dann ein Abschlag von 0,5 Prozentpunkten.

Krankenhäuser:

Die Krankenhäuser müssen weniger stark sparen als zunächst geplant. Grund dafür ist, dass sich die Einnahmen der Krankenkassen wegen der guten Konjunktur besser entwickeln als gedacht. Wegen der steigenden Grundlohnrate sollen die Kliniken 400 Millionen Euro mehr behalten dürfen als ursprünglich gedacht. Allerdings dürfen die Ausgaben bei den Krankenhäusern künftig nicht mehr so stark wachsen. Die jeweiligen Vergütungen werden 2011 um den Grundlohnsummenanstieg, vermindert um 0,25 Prozentpunkte, erhöht. Für 2012 gilt dann ein Abschlag von 0,5 Prozentpunkten auf die Veränderungsrate der Grundlohnsumme 2012. Danach können die Fallpauschalenpreise 2011 um maximal 0,9 Prozent erhöht werden. Im ersten Gesetzentwurf war im Ergebnis ein Anstieg um nur 0,25 Prozent vorgesehen. Im Jahr 2012 dürfen die Preise bei einer geschätzten Grundlohnsummenentwicklung von 1,5 Prozent um ein Prozent steigen (statt um die Hälfte, wie im ersten Gesetzentwurf vorgesehen). Geschätztes Einsparpotenzial: 150 Millionen Euro (zusätzlich rund 300 Millionen Euro in 2012).

Für Mehrleistungen über vertraglich vereinbarte Leistungen hinaus wird ein Abschlag von 30 Prozent eingeführt. Dadurch sollen 2011 bis zu 350 Millionen Euro gespart werden (nach vertraglicher Vereinbarung rund 270 Millionen Euro ab 2012).

Krankenkassen:

Die Verwaltungskosten der gesetzlichen Kassen und ihrer Verbände dürfen 2011 und 2012 im Vergleich zu 2010 nicht steigen. 2011 und 2012 sollen so je 300 Millionen Euro gespart werden. Die Verwaltungsausgaben in der GKV belaufen sich auf 128 Euro je Versicherten pro Jahr. Bei der TK sind es nur 102 Euro.


Zusatzangebote dürfen kein Hoheitsgebiet der PKV sein
TK fordert: Rahmenbedingungen für Wahltarife in der GKV anpassen

Seit dem 1. April 2007 dürfen die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) Wahltarife anbieten. Damit haben auch Versicherte in der GKV die Möglichkeit erhalten, ihren Versicherungsschutz ein Stück weit mit zu gestalten. Im Rahmen der aktuellen Gesundheitsreform verfolgte die schwarz-gelbe Koalition zunächst den Plan, der GKV bestimmte Zusatzangebote zu verbieten. Dazu kam es letztlich aber nicht. Allerdings ist jetzt im GKV-Finanzierungsgesetz geregelt, dass die Bindungsfrist für die Wahltarife „Prämienzahlung“, „Kostenerstattung“ und „Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen“ zum 1. Januar 2011 von drei Jahren auf ein Jahr reduziert wird.

Was für die Versicherten auf den ersten Blick positiv erscheint, könnte allerdings dazu führen, dass es für die GKV ungleich schwieriger wird, diese Tarife überhaupt anzubieten. „Wenn die Regierung angibt, dadurch die Wahlfreiheit der Versicherten stärken zu wollen, ist das zwar ein lobenswerter Gedanke – allerdings funktioniert das Ganze so nicht“, sagt Michael van der Heide-Wulfthüter, Experte für Wahltarife bei der Techniker Krankenkasse (TK). Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass der Versicherte mehr Freiheiten in seiner Wahl hat. Es ist allerdings fraglich, ob sich das auf die Bindungsfrist beziehen sollte.

Verkürzung der Bindungsfrist gefährdet Wirtschaftlichkeit der Tarife

„Die Verkürzung der Mindestbindungsfrist bei einigen Tarifen birgt wirtschaftliche Risiken. Das gilt besonders für Tarife zur Prämienzahlung bei Nichtinanspruchnahme von Leistungen, der so genannten Beitragsrückzahlung“, erklärt van der Heide-Wulfthüter. „Diese Tarife finanzieren sich im Wesentlichen durch die Deckungsbeiträge der gehaltenen PKV-Kündiger. Durch die Bindung an den Tarif werden diese Versicherten gleichzeitig auch an die GKV gebunden. Das muss man nicht hinter vorgehaltener Hand sagen.“ Maßgeschneiderte Angebote tragen dazu bei, gute Versicherungsrisiken in der GKV zu halten und somit das Solidarsystem zu stärken. Die GKV muss deshalb die Möglichkeit haben, ihren Versicherten über Wahltarife eine sinnvolle Ergänzung des Krankenversicherungsschutzes anzubieten.

Der TK-Experte plädiert auch für eine einheitliche Genehmigungspraxis durch die Aufsichtsbehörden der Krankenkassen. „Heute profitieren regionale Kassen – wie die AOKen – davon, dass die zuständigen Landesaufsichten oftmals Tarife genehmigen, die das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde für überregionale Kassen ablehnt“, betont der Experte. Das führt zu ungerechtfertigten Wettbewerbsverzerrungen.

Wahltarife der TK im Überblick

Bei der TK gibt es zurzeit 20 Wahltarife, mit denen Versicherte zusätzliche Leistungen bekommen, Prämien erhalten oder sich für besondere Versorgungsformen entscheiden können.

TK-Tarif Select:

In diesem Tarif hat der Teilnehmer die Möglichkeit auf bis zu fünf bestimmte Leistungen zu verzichten und erhält hierfür eine jährliche Geldprämie. Dafür übernimmt er einen Teil der eventuell für ihn anfallenden Kosten, den so genannten Selbstbehalt. Die Höhe der Prämie und des Selbstbehaltes ist davon abhängig, wie viele der fünf möglichen Leistungen der Teilnehmer abwählt.

TK-Tarif Traveller:

Der TK-Tarif Traveller ist ein besonderer Selbstbehalttarif, bei dem der Teilnehmer optional anstelle der Auszahlung einer kleinen Prämie kostenlos ein Reiseschutzpaket des TK-Kooperationspartners Envivas erhält. Das Reiseschutzpaket, das über einen gesonderten Vertrag mit der Envivas abgeschlossen wird, besteht aus einer Auslandsreise-Krankenversicherung TravelPlus und umfassenden Assistance-Leistungen, die exklusiv für Teilnehmer am TK-Tarif Traveller erweitert wurden. Alternativ kann auch eine Geldprämie gewählt werden. Der TK-Tarif Traveller umfasst zwei Tarifstufen: Stufe 1 für Mitglieder ohne TK-Familienversicherte und Stufe 2 für Mitglieder mit TK-Familienversicherten.

TK-Tarife Selbstbehalt Prämie 100, 240, 400 & 600:
Der Teilnehmer erhält eine jährliche Prämie, wenn er keine oder nur einige Leistungen in Anspruch nimmt. Je nach Tarif beträgt die Prämie 100, 240, 400 oder 600 Euro. Der Teilnehmer muss dafür einen Teil der eventuell für ihn oder seine mitversicherten volljährigen Familienangehörigen anfallenden Gesundheitskosten übernehmen, den so genannten Selbstbehalt. Ein Tarif mit höherer Prämie ist immer mit dem Risiko eines höheren Selbstbehaltes verbunden. Dabei steigt die Differenz zwischen Selbstbehalt und Prämienzahlung von Tarif zu Tarif und somit auch das persönliche finanzielle Risiko.

TK-Tarif Prämienzahlung:
Der Teilnehmer erhält einen Teil der von ihm selbst getragenen Krankenversicherungsbeiträge zurück, sofern er und seine volljährigen Familienangehörigen in dem jeweiligen Jahr keine TK-Leistungen in Anspruch genommen haben (Vorsorgeuntersuchungen sind davon ausgenommen!). Die maximale Prämie beträgt im 1. Jahr 50 Prozent, im 2. Jahr 75 Prozent und erst ab dem 3. Jahr 100 Prozent eines Monatsbeitrages (ohne Arbeitgeberanteil). Voraussetzung ist immer, dass der gesamte Zeitraum leistungsfrei war. Wurden in einem Jahr Leistungen in Anspruch genommen und wurde deshalb keine Prämie ausgezahlt, beginnt der Prämienanspruch ab dem folgenden leistungsfreien Jahr wieder mit dem nächstniedrigen Prozentsatz.

Tarif TK-Privat Natur Arznei:
Das Mitglied und familienversicherte Angehörige können rezeptfreie, aber apothekenpflichtige Arzneimittel der Homöopathie, Phytotherapie und Anthroposophie nach Verordnung durch einen Vertragsarzt auf einem Privatrezept über eine Apotheke beziehen und anschließend die Rechnung zur Erstattung bei der TK einreichen. Für die Teilnahme an dem Tarif ist eine zusätzliche Prämie an die TK zu bezahlen, die sich nach dem Alter richtet.

TK-Tarife Krankengeld:
Wer krank wird, hat nicht nur den gesundheitlichen Schaden, sondern oft auch finanzielle Ausfälle. Mit den TK-Tarifen Krankengeld können sich die Teilnehmer individuell absichern. Besonders wichtig ist dieses für Selbstständige, Künstler und Publizisten – und für Arbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber während einer Krankheit nicht wenigstens für sechs Wochen weiter Entgelt erhalten. Je nach gewählter Tarifvariante kann man dabei beeinflussen, wann die Krankengeld-Zahlung beginnen, wie lange sie dauern und wie hoch sie sein soll. Bei allen Tarifen wird das Krankengeld bereits ab dem ersten Tag gezahlt, wenn ein Krankenhausaufenthalt notwendig ist. Die monatliche Prämie richtet sich nach der gewählten Höhe des Krankengeldes.

TK-Tarif Integrierte Versorgung:
Der wichtigste Vorteil beim kostenlosen Wahltarif zur Integrierten Versorgung ist die verbesserte koordinierte Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Hausärzten, Fachärzten, Krankenhäusern und anderen Leistungserbringern wie Apotheken oder Rehabilitationseinrichtungen. Damit wird eine besonders effektive und sichere Behandlung auf hohem medizinischem Niveau ermöglicht.

Tarife für besondere Versorgungsformen:

Teilnehmer eines Disease-Management-Programms (DMP) können sich für eine Teilnahme am kostenlosen Wahltarif TK-Plus-Programm entscheiden. Das Programm ist ein Angebot an chronisch Kranke, die an Diabetes, Brustkrebs, Koronarer Herzkrankheit, Asthma oder an der Chronisch obstruktiven Lungenkrankheit leiden. Es handelt sich um ein Behandlungskonzept, bei dem Ärzte und medizinische Einrichtungen auf der Grundlage derselben medizinischen Handlungsempfehlung eng mit dem Patienten zusammenarbeiten.

Der Hausarzttarif richtet sich vorrangig an TK-Versicherte ab 15 Jahren. Kinder unter 15 Jahren können von ihrem gesetzlichen Vertreter angemeldet werden. In Bayern und Baden-Württemberg gelten keine Altersbeschränkungen. Beim Hausarztmodell übernimmt der Hausarzt eine Lotsenfunktion: Er koordiniert die Behandlung, bindet bei Bedarf Fachärzte mit ein und kümmert sich um die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln. Die Entscheidung zur Teilnahme ist freiwillig. Wer den Hausarztvertrag wählt, ist für zwölf Monate daran gebunden. Teilnehmer des Hausarzttarifs profitieren von den Sonderkonditionen des Vertrages: Der Hausarzt bietet pro Woche mindestens eine erweiterte Sprechzeit an. Auch sollte die Wartezeit für TK-Patienten mit Termin nicht länger als 30 Minuten dauern. Derzeit sind weitere Tarife in der Entwicklung, die das Angebot der TK erweitern werden. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.tk.de in der Rubrik „Versicherung & Tarife“.

Wahltarife

Seit dem 1. April 2007 dürfen die gesetzlichen Krankenkassen Wahltarife anbieten. Im GKV-Finanzierungsgesetz wird geregelt, dass die Bindungsfrist für die Wahltarife „Prämienzahlung“, „Kostenerstattung“ und „Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen“ zum 1. Januar 2011 von drei Jahren auf ein Jahr reduziert wird.