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Umwelt & Sport

Moore, Grünland und weniger Dünger für klimaneutrale Landwirtschaft

Symbolfoto: Offenbütteler Moore · Kiel/ Neumünster. Moore wieder vernässen, Produktion und Konsum von Fleisch und Milch reduzieren und weniger düngen – mit diesen drei Maßnahmen-Paketen kann die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein den Weg in Richtung Klimaneutralität erfolgreich beschreiten. Das führte Professor Dr. Friedhelm Taube, Agrarwissenschaftler der Universität Kiel, in einem Vortrag vor der Landesdelegiertenversammlung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Schleswig-Holstein e. V. (BUND SH) aus.

  • Agrarwissenschaftler Prof. Friedhelm Taube plädiert für Viehhaltung auf Basis von „Home grown proteins“
  • Vernässte Moore, weniger Produktion und Konsum tierischer Lebensmittel und weniger Düngung als Schlüssel zu klimaneutraler Landwirtschaft
  • Reduktion der Tierhaltung schafft Flächen für Biodiversität und Nahrungspflanzen

„Ein Kilogramm überschüssiger Stickstoff in der Umwelt zieht 10 Euro Folgekosten nach sich“, verdeutlichte Prof. Taube das Problem. Eine schärfere Düngegesetzgebung sei trotz erreichter Erfolge unbedingt notwendig, um das Ziel in Richtung Klimaneutralität 2040 zu realisieren: „Ziel der Maßnahmen zur Düngung muss es sein, den Stickstoffüberschuss bis 2040 noch einmal etwa zu halbieren auf dann unter 50 Kilogramm Stickstoff pro Hektar. Im Moment liegen wir aber bei 90 Kilogramm pro Hektar, obwohl die novellierte Dünge-Verordnung seit 2020 in Kraft ist. Und eine Zielsetzung zur Reduktion von Phosphor fehlt komplett. Wir brauchen eine ambitionierte Stoffstrombilanzverordnung, die die guten Landwirte vor den weniger guten schützt. Das ist keine Bürokratie, sondern klassisches Controlling, wie es jedes gute Unternehmen durchführt.“

Die Umweltfolgekosten des Dünge-Überschusses zeigen sich durch giftige Stickoxide, Nitrat im Wasser, das mit hohem Aufwand gereinigt werden muss und gesundheitsschädliche Ammoniak-Emissionen aus der Tierhaltung. Auch der Verlust an Artenvielfalt in Agrarlandschaften hängt damit direkt zusammen: weniger bestäubenden Insekten, weniger Bodenorganismen und weniger Fisch in den Gewässern.

Vermiedene Umweltfolgekosten rechtfertigen laut Taube hohe Fördermittel, um Landwirtinnen und Landwirten die Umstellung auf eine klimafreundliche Wirtschaftsweise zu ermöglichen.

Als Beispiel nannte der Agrarwissenschaftler die „Ökoeffiziente Weidemilch-Erzeugung“, die seit acht Jahren erfolgreich auf dem Universitäts-Versuchsgut Lindhof erprobt wird. Das Futter für die Milchkühe stammt hier nur aus Gras, Klee und Kräutern. Zucker-Grassorten liefern die Energie, Klee das Protein – Importe von Soja werden überflüssig. „Das sind im Vergleich zu intensiver Stallmilcherzeugung im spezialisierten Futterbaubetrieb vermiedene Umweltkosten in einer Größenordnung von 25 Cent pro Liter Milch“, erklärte Taube. Mit dem Import von Soja als Viehfutter werde in anderen Teilen der Welt wertvolles Grünland in Ackerland umgewandelt – das sei „importierter Flächenverbrauch“.

Das Argument der Ernährungssicherheit durch die derzeitige intensive Landwirtschaft und Tierhaltung räumte Taube ab: „Auf 60 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen wird Tierfutter angebaut. In Europa verzehren wir derzeit 51 Gramm tierisches Protein pro Person und Tag. Würden wir diesen Konsum auf 15 Gramm pro Tag reduzieren, wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen, könnte Europa bis zu 720 Millionen Menschen außerhalb Europas zusätzlich mit Nahrung versorgen!“

Den größten Hebel, um klimaschädliche Emissionen in der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein zu vermeiden, bietet die Wiedervernässung von entwässerten Mooren. „In Deutschland werden 400.000 Hektar entwässerte organische Böden für die Milcherzeugung genutzt. Das führt zu bodenbürtigen CO2-Emissionen von etwa 35 Tonnen pro Hektar und Jahr“, so Prof. Taube. Emissionen, die rückgängig gemacht werden können, wenn man die Moore wieder Moore sein lasse und den Landwirtinnen und Landwirten Einkommens-Alternativen biete, zum Beispiel Paludikultur oder Freiflächen-Photovoltaik auf vernässten Böden.

„Moore zu vernässen und Düngemittel zu reduzieren hat einen mehrfachen Effekt für die Natur: Überall, wo mehr Wasser und weniger Nährstoffe in der Landschaft sind, gibt es eine höhere Artenvielfalt“, sagt Dietmar Ulbrich, Landesvorsitzender des BUND SH. „Zudem sind Moore wichtige Wasserspeicher. Wenn es so trocken ist wie kürzlich im Frühjahr, wird deutlich, wie wichtig es ist, Wasser in der Landschaft zu halten statt es abfließen zu lassen. Wir appellieren an die Landesregierung, das Wassergesetz entsprechend zu ändern und die Dünge-Gesetzgebung zu verschärfen.“