Nordische Filmtage Lübeck: Gesine Danckwart und Annika Pinske erhalten die ersten Lübecker Drehbuchstipendien
Fotos: (c) Hanna Lenz · Lübeck, 2. November 2023. Die beiden Gewinnerinnen der erstmalig vergebenen Stipendien der Nordischen Filmtage Lübeck für die Entwicklung von deutschsprachigen Drehbüchern stehen fest. Verkündet wurden sie gestern Abend im Rahmen der feierlichen Eröffnung der 65. Nordischen Filmtage Lübeck (1.-5. November 2023). Das Stipendium für eine renommierte Autorin mit einem programmfüllenden, fiktionalen Kinoprojekt geht an Annika Pinske, die sich mit dem Kinoprojekt IM FLUSS beworben hat. Das zweite Stipendium für eine Autorin mit biografischem Bezug zu Lübeck für eine in Format und Plattform offene, visuelle Erzählung erhält Gesine Danckwart für ihr VR Projekt HERZKAMMER – EIN ESCAPE-ROOM FÜR FORTSCHREITENDE.Die Jury, bestehend aus Barbara Häbe, stellv. Hauptabteilungsleiterin Spielfilm/Fernsehfilm bei ARTE, der Film- und Musikmacherin Brenda Lien und Florian Weghorn, Programmleiter von Berlinale Talents, wählte Annika Pinske und Gesine Dankwart aus insgesamt fast 90 Einreichungen aus.
„Wir gratulieren den beiden Stipendiatinnen und heißen sie herzlich bei den 65. Nordischen Filmtagen und in Lübeck willkommen. Ihre Projekte haben nicht nur unsere Jury überzeugt, wir freuen uns auf die Entwicklung der Stoffe im Dialog mit dem Festival und unserem Lübecker Netzwerk in den kommenden Monaten“, kommentiert Thomas Hailer, künstlerischer Leiter der NFL, die Auswahl.
Annika Pinske wuchs in Frankfurt/Oder auf. Parallel zu ihrem Studium der Philosophie und Literaturwissenschaften arbeitete sie für den Theaterregisseur René Pollesch und anschließend als Regieassistentin für Maren Ade. 2011 begann sie ihr Regiestudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB). Ihre Kurzfilme wurden weltweit auf Festivals gezeigt und ausgezeichnet. Ihr Spielfilmdebüt ALLE REDEN ÜBERS WETTER feierte 2022 im Rahmen der Berlinale seine Weltpremiere. Der Film wurde als Bester Erstlingsfilm für den GWFF Preis nominiert und das Drehbuch 2023 mit dem Preis der Deutschen Filmkritik ausgezeichnet. Mit über 25.000 Kinozuschauern war er 2022 der erfolgreichste Debütfilm in den deutschen Kinos.
Ihr eingereichtes Kinoprojekt IM FLUSS handelt von Elses (84) Reise auf einem Donau Kreuzfahrtschiff zwischen Eisbomben, Captains-Dinner und den üblichen Touristenattraktionen von Wien, Budapest und Bratislava. Sie trifft auf Kapitän Niko (41). Zwischen den konträren Charakteren entwickelt sich eine zarte Freundschaft. Und beide stellen sich auf der Reise lange verdrängte Fragen zu Mutterschaft bzw. Männlichkeit, Heimat und die (Un)-Möglichkeit, nochmal jemand ganz anderes zu werden.
Gesine Danckwart arbeitet international als Film- und Theatermacherin, Autorin und Regisseurin an festen Häusern und in freien Kontexten. Sie entwickelt dabei spezifische Formate, oft im öffentlichen Raum, Radioperformanceprojekte oder das Spiel mit Avataren. So entwickelte sie die mehrmediale Künstler:innenformation Chez Company, die Projekte auf der Schnittstelle von Performance, Sound, Film, Theater realisiert. Mit dem Ensemble der Deutschen Oper Berlin entstand so etwa der Essayfilm Makingofblond und der interaktive Kinderfilm Karaoper (2022).
Ihre Texte und eigenen Theaterarbeiten wurden u.a. am Thalia Theater Hamburg, Schauspielhaus Wien, Nationaltheater Mannheim, Burgtheater Wien, Schauspiel Köln, Hau, Deutsche Oper Berlin, Expo Shanghai, Taipeh, Alexandria, Sao Paolo, Johannesburg gespielt, sind mehrfach als Hörspiel umgesetzt und in mehr als 15 Sprachen übersetzt. Ihr Spielfilm UMDEINLEBEN hatte auf dem Münchener Filmfest Premiere. Gesine Danckwart ist in Schleswig-Holstein geboren. Sie ist in und bei Lübeck aufgewachsen und lebt in Berlin.
Mit ihrem eingereichten Projekt HERZKAMMER – EIN ESCAPE-ROOM für Fortschreitende möchte Gesine Danckwart eine Erzählung entwickeln, die in einer Wohnung stattfindet, – über viele verschiedenen Zeitepochen hinweg. Die häusliche Sphäre ist über Jahrhunderte hinweg der angestammte Platz der Frauen. Eine Welt, über die wir viel weniger wissen als über die Geschichte der handelnden -mächtigen- Männer draussen. Aus einer ausführlichen Recherche in Lübeck, dem Ort des Geschehens, wird ein Spielscript entwickelt, in dem sich die Zuschauer und Zuschauerinnen selbstständig durch die Geschichten bewegen können. Mit VR kann man durch das Zimmer wandern und sich spielerisch, in dem man Objekte in die Hand nimmt, Briefe liest, Bilder findet, durch die Zeiten bewegen- in die Geschichte reinkriechen und jagt durch verrückte Bilder, Perspektiven, Träume und schließlich einem Finale entgegen, dass utopisch in die Zukunft weist.
Ausgelegt auf einen Zeitraum von zunächst drei Jahren werden die Stipendien von der Possehl-Stiftung gefördert und sind mit einem Preisgeld in Höhe von jeweils € 35.000 verbunden. Die Stipendiat:innen erhalten zusätzlich – ebenfalls durch die Possehl-Stiftung gefördert – individuelle Projektbegleitung, z.B. in Form dramaturgischer Beratung sowie Residenz-, Recherche- und Netzwerkmöglichkeiten in Lübeck und bei den Nordischen Filmtagen Lübeck.
Gastgeber:innen der Stipendiat:innen sind die Nordischen Filmtage Lübeck in Kooperation mit dem Kommunalen Kino Koki e.V., dem Kulturverein Waldzimmer e.V. und der Stadtbibliothek der Hansestadt. Eine Besonderheit des Lübecker Drehbuchstipendiums ist der offene Austausch mit der Stadtgesellschaft. Alle Interessierten können bei Werkstattgesprächen, kuratierten Filmprogrammen und Drehbuchlesungen unmittelbar am Entstehungsprozess teilhaben. Zudem werden die Stipendiat:innen mit lokalen Kulturakteur:innen und Filmschaffenden vernetzt.