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PASSATDIALOG: Finnlands NATO-Beitritt stärkt transatlantisches Bündnis und Sicherheit im Ostseeraum

Foto: Copyright Christina Braune · Frieden, Handel, Wohlstand – jahrzehntelang prosperierte der Ostseeraum und einte die Anrainer. Doch die Sanktionen gegen Russland nach der Besetzung der Krim vor zehn Jahren und der Angriffskrieg gegen die Ukraine seit Februar 2022 sind aus Sicht von Kai Sauer ein „Wendepunkt“. Für den Botschafter der Republik Finnland in Deutschland sind Frieden, Handel und Wohlstand Vergangenheit. „Russland hat die Sicherheit und die Ordnung in Europa verändert“, sagte der Diplomat beim PASSATDIALOG vor rund 300 Teilnehmern im ATLANTIC Grand Hotel in Lübeck-Travemünde.Da Russland auch nach dem Ukraine-Krieg eine Bedrohung für Europa bleiben werde, habe Finnland seine Neutralität aufgegeben und sei der NATO beigetreten. Die transatlantische Partnerschaft sowie die enge Zusammenarbeit mit Deutschland und den USA sei die entscheidende Voraussetzung zur Bewältigung der Sicherheitskrise. Finnland sei militärisch stark und werde mit seinem hohen Verteidigungswillen die NATO stärken.

Der PASSATDIALOG ist eine gemeinsame Initiative der Hansestadt Lübeck, des Honorarkonsuls der Republik Finnland in Lübeck, der Stiftung Neue Musik Impulse Schleswig-Holstein, des ATLANTIC Grand Hotels Travemünde sowie des Portals watersports LübeckerBucht. Die in Travemünde liegende Viermastbark „Passat“, die früher den Liniendienst zwischen Europa und Amerika bediente, stehe symbolisch für Frieden, Handel und Wohlstand. „Dafür wollen wir heute ein Zeichen setzen“, betonte Bernd Jorkisch, Doyen des Konsularkorps Schleswig-Holstein und Honorarkonsul der Republik Finnland in Lübeck.
Diesen Gedanken griff der Botschafter auf und stellte heraus, wie wichtig es sei, die Ostsee als Lebensader des finnischen Außenhandels und des Handels in der Ostsee insgesamt zu sichern. Dafür sei allerdings ein gesamteuropäisches Verständnis für die Verteidigung der Länder und der westlichen Werte erforderlich. Ebenso müssten die EU-Staaten und die USA ein Konzept zum Schutz der kritischen Infrastruktur entwickeln. Zum Beispiel gebe es bei der Energieversorgung und der Cybersicherheit immer noch Schwachstellen, so Sauer. „Wir legen großen Wert auf eine enge Kooperation im Ostseeraum, besonders mit Deutschland. Gemeinsam mit den USA hat Deutschland uns in der Zeit des Wartens auf den NATO-Beitritt sehr unterstützt“, ergänzte er.

An dieser engen Kooperation werde sich in den kommenden Jahren voraussichtlich nichts ändern, versicherte der Generalkonsul der USA in Hamburg, Jason Chue. Die Präsidentschaftswahl in den USA wäre zwar spannend, der Glaube an die Demokratie sei aber ein einigendes Band, daher blieben die USA und die europäischen Staaten auch weiterhin Partner. Mit Blick auf eine mögliche Rückkehr von Donald Trump ins Präsidentenamt sagte er: „Wir haben schon einmal vier Jahre Trump erlebt und sind immer noch in Europa präsent. Die Partnerschaft hängt nicht von einer Person ab, daher bin ich davon überzeugt, dass es unabhängig vom Wahlausgang weiterhin eine große Unterstützung der NATO und der Ukraine von den USA geben wird.“ Das Bündnis sei wichtiger als je zuvor, die ganze Welt wisse das „und die Autokraten beobachten das genau“, so Chue.

Innerhalb der NATO-Streitkräfte seien sich die Uniformträger ebenfalls einig, gemeinsam ihre Länder und Werte schützen zu wollen, sagte Oberst der Reserve Dr. Marc Lemmermann, Vorsitzender der Landesgruppe Schleswig-Holstein im Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e.V. „Uns eint aber auch das Kopfschütteln über Vieles, was Politiker von sich geben“, ergänzte er. Vor allem in Deutschland sei ein Umdenken erforderlich, um den Wehrwillen zu stärken und die Menschen dafür zu begeistern. Finnland, das sich einer ständigen Bedrohung durch Russland ausgesetzt sehe, könne innerhalb kürzester Zeit seine modern ausgerüstete Armee mit Reservisten auf insgesamt 280.000 Mann anwachsen lassen. „In Deutschland haben wir zwar noch rund 900.000 wehrfähige Reservisten, aber nur 43.000 von ihnen sind sofort einsatzbereit.“

Zudem gehe die Zahl der Bewerber für die Bundeswehr seit Ausbruch des Ukraine-Krieges vor zwei Jahren zurück. „Die Wertschätzung für die Bundeswehr ist zwar gestiegen und mehr als 60 Prozent der Bürger wollen die Wehrpflicht zurück. Aber nicht einmal die Hälfte der Menschen sind bereit, ihr Land mit der Waffe zu verteidigen. In Finnland dagegen sind es mehr als 80 Prozent.“ Außer mehr Unterstützung von der Politik wünscht sich Lemmermann die Bereitschaft von Unternehmen, ehemaligen Soldaten die Möglichkeit zu Reservistendienstleistungen zu geben. „Das stärkt die Motivation der Mitarbeiter, und die Wirtschaft leistet einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit unseres Landes.“

Ein Umdenken in Verwaltung und Politik forderte auch Lübecks Stadtpräsident Henning Schumann. Aufgaben, die die Kommunen früher an den Bund oder das Land abgegeben haben, müssten sie nun wieder selbst bearbeiten. Zum Schutz der kritischen Infrastruktur als Rückgrat der Wirtschaft sei ein enger Austausch aller Akteure auf lokaler und regionaler Ebene erforderlich. Der Ostseeraum insgesamt biete große Chancen für eine enge Kooperation, denn er habe sich nach dem Ende des Kalten Krieges zu einer prosperierenden Wirtschaftsregion entwickelt. Die Veränderungen seit dem Ausbruch des Krieges würden Lübeck als Hafen-, Logistik- und Industriestandort in einem besonderen Maße treffen. Er sei davon überzeugt, dass die Stadt wie schon in den Zeiten der Hanse wieder eine führende Rolle im Ostseeraum einnehmen müsse, um Frieden, Handel und Wohlstand auch weiterhin zu sichern.

Organisator Konsul Bernd Jorkisch war zufrieden mit dem dritten PASSATDIALOG. Mit der Feststellung, dass der Ostseeraum Zukunftsregion Europas sei, dankte er vor allem Generalkonsul Chue für die wichtige und klare Botschaft: „Die USA stehen weiterhin an unserer Seite.“ Im Anschluss führten die Teilnehmer intensive Gespräche über die transatlantische Partnerschaft und die Rolle der EU für Sicherheit und Freiheit der westlichen Welt, bevor sie dem nationalen finnischen Jazzorchester UMO zuhörten, das ein Gastkonzert im Zuge des Classical Beat Festivals gab.

Foto: Bildunterschrift: Oberst der Reserve Dr. Marc Lemmermann (von links) vom Reservistenverband, Moderator Julian Marxen, Jason Chue, US-amerikanischer Konsul in Hamburg, und Kai Sauer, Botschafter der Republik Finnland in Deutschland, diskutierten über die transatlantische Partnerschaft und ihre Auswirkungen auf die Sicherheit im Ostseeraum,