Portraitkonzert Friedhelm Döhls in Lübeck
Es war eine würde- und anspruchsvolle Soiree. Am letzten Donnerstag wurde im reichlich gefüllten Großen Saal der Musikhochschule Lübeck ein beachtliches Komponistenportrait zum 75.Geburtstag Friedhelm Döhls geboten.
Döhls umfangreiches Oeuvre umfasst Kompositionen für Soloinstrumente und Kammermusik, Vokalkompositionen und Orchesterwerke, Live-Elektronik und Musiktheater. Der Komponist sieht sich als Romantiker, wobei Romantik als Haltung zu verstehen ist, als ein reflektiertes Verhältnis des Ich zu sich selbst und zur Welt, das im Werk seine Spuren hinterlässt. Verbunden fühlt sich Döhl ebenso zu Mahlers großdimensioniertem Komponieren wie zu Weberns Kunst des Aphorismus. Musikalische Sprachfindung ist bei Döhl immer wieder der eigentliche Gegenstand der Komposition. Oft vollzieht sie sich im Medium der Dichtung: in Liedern und Gesängen auf Gedichte von Hölderlin und Trakl, aber auch in rein instrumentalen, wortlosen Kompositionen, die gleichwohl vom Wort inspiriert sind. Ein Kennzeichen seiner Partituren ist der immer neue Versuch, Klang und Form aufeinander zu beziehen- nach Döhl ein basales Problem für die Selbstfindung der Musik nach Aufgabe der Tonalität.
Nach einem Grußwort Inge-Susann Römhilds, der Präsidentin der Musikhochschule Lübeck, folgte die „Klarinetten-Szene“ (2003), ein Kompositionsauftrag der Possehl-Stiftung zur Eröffnung der Kunsthalle St.Annen in Lübeck am 30.5.2003, wobei sich das Spiel schließlich nach einer Kadenz zum kollektiven „canto europeo antico“ nach Heinrich Isaac entwickelte. Es wurde 2003 aktuell auch als Reaktion auf die Arroganz von Machthabern der „Neuen Welt“ gegen „Old Europe“ verstanden.
Beim „Sonnengesang für Flöte solo“ (2008), Angela Firkins gewidmet, steht das Mörike-Gedicht „An einem Wintermorgen, vor Sonnenaufgang“ im Hintergrund.
Es wurde dann das „Diptychon für Orgel/mit Stimme“ (2008/2011) als Uraufführung präsentiert, wobei er wie auch bei anderen Kompositionen wichtige Impulse aus der Freundschaft und aus der künstlerisch überaus fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Maler Günther Uecker erhielt. Für Hans-Jürgen Schnoor und Maike Albrecht hatte Döhl neu die beiden zentralen Sätze aus dem Hiob-Zyklus für sich genommen und zu einem „Diptychon“ gefügt, jeweils mit der „Vox humana“ ausklingend.
Das nach der Pause folgende „Conductus für vier Schlagzeuger“ wurde 1980 im Auftrag der Stadt Basel komponiert. Die Partitur ist dem Andenken des Schriftstellers Nicolas Born gewidmet und steht unter dem Motto von Fragmenten seines Gedichts „Entsorgt“.
Es handelt sich dabei um Trauermusik, „Kondukt“ als „Grabgeleit“, Stille, aber auch um Aufbegehren gegen die Tendenz des Menschen, sich selbst zu vernichten. Es ist aber auch Erinnerung an unsere Geschichte, an die Tradition des mittelalterlichen Formbegriffs „Conductus“.
Die folgende „Serenade für zwei Kontrabässe“ (1997) schrieb Döhl 1997 zum 75.Geburtstag des Verlegers Hermann Moeck und insbesondere zum 80.Geburtstag seines um die neue Musik sehr verdienten Cheflektors Herbert Hoentsch.
Die Klangwucht der Aufführung ergab sich durch das Miteinander der beiden fünfsaitigen Bässe, basierend auf den tiefen Tönen H-E.
Das abschließende „Ballett für zwei Klaviere“ „Fiesta“ (1982) wurde in Basel komponiert, im Auftrag von „pro musica nova“ Bremen 1981/82 für das schwedische Klavierduo Mats Persson und Kristine Scholz.
Friedhelm Döhl wurde am 7.Juli 1936 in Göttingen geboren. Nach dem Abitur an einem humanistischen Gymnasium studierte Döhl Komposition bei Wolfgang Fortner, Klavier bei Carl Seemann und Schulmusik an der Staatlichen Hochschule für Musik Freiburg i.Br. sowie Germanistik, Musikwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte an den Universitäten Freiburg und Göttingen. Dort wurde er 1966 mit „Weberns Beitrag zur Stilwende der Neuen Musik“ promoviert. Als Professor für Komposition an der Musikhochschule Lübeck seit 1982 initiierte er u.a. die Veranstaltungsreihen „Forum junger Komponisten“, „Werkstatt Neue Musik“ und die Reihe „Musica Viva/Begegnungen“ in Reinbek. 1991 bis 1994 wirkte Döhl als Rektor der Musikhochschule Lübeck. Er erhielt 1967/68 ein Stipendium der Villa Massimo in Rom, den Rom-Preis 1967/68 sowie die Förderpreise des Landes Nordrhein-Westfalen (1968) und des Landes Berlin (1971).
Lutz Gallinat