Sechs Monate nach Veröffentlichung des „Aktionsplans Ostseeschutz“: Naturschutzverbände drängen auf Umsetzung
• Fragenkatalog an den Ministerpräsidenten
• Schlechter ökologischer Zustand der Ostsee verlangt schnelles Handeln
• Reduktion des Düngemittel-Eintrags nur in Kooperation mit Landwirtschaft möglich
Kiel, 18. September 2024. 12,5 Prozent der Ostseefläche Schleswig-Holsteins sollen unter strengen Schutz gestellt, Industriefischerei in allen schleswig-holsteinischen Küstengewässern verboten und der Eintrag von Düngemitteln durch Zielvereinbarungen mit der Landwirtschaft vermindert werden – dies sind einige Punkte aus dem „Aktionsplan Ostseeschutz 2030 für eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung der Ostseeregion“, den Ministerpräsident Daniel Günther vor genau einem halben Jahr präsentierte. Zuvor hatte er im Namen der Landesregierung die Einrichtung eines Nationalparks Ostsee abgelehnt. Alle seien sich darüber einig, dass die Ostsee in einem schlechten ökologischen Zustand sei und dringend Maßnahmen dagegen ergriffen werden müssten, so die Aussage damals.
„Noch ein heißer Sommer mit Algenblüten und der Ausbreitung sauerstofffreier Zonen ist vergangen. Nach einem halben Jahr ist Zeit zu fragen, was die Landesregierung unternommen hat, um den Ostseeschutz zu verbessern“, so Dietmar Ulbrich, Vorsitzender des Landesverbands Schleswig-Holstein im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND SH). „Im Aktionsplan werden viele konkrete Maßnahmen genannt. Aber sie helfen nur, wenn sie umgesetzt werden. Die Patientin bekommt keine Luft mehr – es ist höchste Zeit zu handeln!“
Der Brief mit den Fragen zur Umsetzung des Aktionsplans ist unterzeichnet von der Arbeitsgemeinschaft Integrierter Ostseeschutz (AGIO) sowie den Umweltverbänden BUND SH, LNV (Landesnaturschutzverband), NABU (Naturschutzbund Deutschland, Landesverband SH), Verein Jordsand und dem WWF.
Die Fragen orientieren sich am Wortlaut des Aktionsplans. Besonders wichtig sind den Verbänden die Zielvereinbarungen mit der Landwirtschaft, um den Eintrag von Düngemitteln in die Ostsee zu vermindern. Der Nährstoff-Eintrag ist die Ursache für die Bildung von sauerstofffreien Zonen, so genannten „Todeszonen“, auf dem Meeresgrund. Durch immer höhere sommerliche Temperaturen wird der Effekt noch verstärkt und führt regelmäßig zu Massensterben von Fischen, Seesternen und anderen Tieren. „Die konventionelle Landwirtschaft, gemeint sind hier Betriebe, die sich noch nicht oder nur unzureichend um umweltschonendere Wirtschaftsweise kümmern, ist Hauptverursacherin des größten Ostsee-Problems. Sie wird jedoch bei Weitem noch nicht ausreichend in die Pflicht genommen. Mit den Zielen der erwarteten Vereinbarung steht das Land bereits gegenüber internationalen Abkommen in der Pflicht. Ist das Prinzip Hoffnung der Landesregierung hier wirklich zielführend?“, fragt Dagmar Struß, stellvertretende Vorsitzende des NABU SH.
„Dem Biodiversitätsschutz und der Renaturierung muss ein deutlich höherer Stellenwert eingeräumt werden als bisher“, sagt Dr. Julia-Maria Hermann von der AGIO, „nicht zuletzt im Sinne einer zukunftsfähigen Fischereiwirtschaft.“
Für die Küstenfischerei verspricht der Plan die Einbindung in Umweltmaßnahmen und Ausgleichszahlungen für Gemeinwohl-Leistungen. Interessierte Fischer könnten zum Beispiel Aufgaben im Bereich der Umweltbeobachtung übernehmen oder meeresbiologische Seetier-Fangfahrten anbieten. Das vergleichbare Programm „Sea Ranger“ läuft in Mecklenburg-Vorpommern bereits erfolgreich.
Ein weiterer wichtiger Punkt gerade im Zusammenhang mit der Anpassung an den Klimawandel ist die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Auen und naturnahen Fließgewässern, die ebenfalls im Aktionsplan versprochen wird.
Angekündigt wird auch eine verstärkte Einbindung der Naturschutzverbände, die schon jetzt wertvolle Arbeit im Bereich Umweltbeobachtung und Umweltbildung leisten.
„Viele Maßnahmen für den Naturschutz an der Ostsee werden derzeit abgelehnt. Auch in der Umweltbildung wird der Ostseeschutz stiefmütterlich behandelt“, sagt Dr. Veit Hennig vom Verein Jordsand. „Ein Umdenken ist dringend angesagt. Für viele Arten ist es schon fünf nach zwölf.“ Als Beispiel nennt er tauchende Meeresenten, die in der Ostsee überwintern und regelmäßig in Stellnetzen hängen bleiben und ertrinken.
Dr. Finn Viehberg, Leiter des WWF-Büros Ostsee: „Die Zeit für mutiges und entschlossenes Handeln zum Schutz der Ostsee ist gekommen. Ein Nationalpark wäre die beste Lösung und eine große Chance für Natur und Mensch an der Ostsee gewesen. Nun muss der kleine Aktionsplan Ostseeschutz 2030 über Versprechungen hinausgehen, um eine gesunde Ostsee für zukünftige Generationen zu ermöglichen.“
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