Sinfoniekonzert in der Lübecker Musik- und Kongresshalle
Es war ein glanzvoller Abschluss der Sinfoniekonzerte der „Lübecker Philharmoniker“ vor der Sommerpause. Bei diesem Konzert wurden am letzten Montag in der reichlich gefüllten Lübecker Musik- und Kongresshalle unter der Leitung von Andreas Wolf Werke von Franz Liszt und Richard Strauß bgeboten. Am Anfang stand die Sinfonische Dichtung „Orpheus“ von Franz Liszt.Bei seiner Uraufführung leitete das 1853/54 in Weimar komponierte Stück am 16.Februar 1854 eine Wiedergabe von Glucks „Orpheus und Eurydike“ ein. Die Idee zu seiner Sinfonischen Dichtung will Liszt jedoch von der Orpheus-Darstellung auf einer griechischen Vase empfangen haben.
Die übersichtliche dreiteilige Anlage des rund elfminütigen Orchesterwerks exponiert zu Beginn ein Thema der Hörner, von dem alles andere abgeleitet ist. Der Mittelteil wird von einem Violin- und einem Violocellosolo getragen. Liszt ging es in seiner Komposition um die musikalische Deutung der Orpheus-Gestalt als Symbol der Harmonie und der Kunst.
Die „Programme“ der Sinfonischen Dichtungen bestehen entweder aus lyrischen und philosophischen Gedanken, die in Gestalt von „Leitmotiven“ versinbildlicht werden, oder ihnen liegen Beobachtungen aus dem Leben der Völker und der gesamten Menschheit zugrunde. Der Programmusiker erhebt nun den Anspruch, dass der im Programm enthaltene dichterische Gedanke sich bei seiner Darstellung „nicht dem Zwange feststehender Formen“ anpasse, dass vielmehr die Form durch diesen Gedanken bestimmt werde. Hier liegt zweifellos ein Trugschluss vor: Hat nicht auch Beethoven gewisse programmatische Ideen gestaltet, ohne dass deshalb das klassische Sinfoniegebäude eingerissen zu werden brauchte? Zu berücksichtigen ist ferner der Wandel der Kulturlage, ein ganz bestimmter Umwelteinfluss sowie die grundsätzlich anti-klassisch gerichtete Individualität des Komponisten.
Liszts Sinfonische Dichtungen “ sind im Ursprung „pariserisch“, so hat sie auch Wagner angesehen, zumindest sind sie vom Temperament des Kosmopoliten Liszt geprägt und bewusst nicht mehr Sprache eines Volkes, einer Landschaft, sondern Widerhall einer Großstadt, sind elegante und rassige Metamorphosen jenes weltbürgerlichen Geistes, den Liszt in seiner schillernden Internationalität vertritt.
Es folgten dann die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauß . Die Sopranistin Cornelia Ptassek berührte dabei die Zuhörer mit Gedicht-Vertonungen. Rein, hell, klar und licht sang Cornelia Ptassek diese eindrucksvollen Vertonungen von Gedichten Hermann Hesses und Joseph von Eichendorffs, diesen großen Abgesang auf eine Episode und zugleich ein Abgesang von Richard Strauß auf das eigene Leben. Sie war auch in den Höhen sicher.
Den Abschluss bildete die Tondichtung für großes Orchester „Ein Heldenleben“ von Richard Strauß.
In „Ein Heldenleben“ op. 40 ist eine neue Qualität an subjektiver musikalischer Darstellung erreicht, wie sie von Strauss später noch einmal explizit in der „Sinfonica domestica“ op. 53 zum Ausdruck gebracht wird. Ursprünglich unter dem Titel „Held und Welt“ geplant, wurde das Orchesterwerk am Ende ein kraftstrotzendes, reichinstrumentiertes und optimistisches Klangporträt des Komponisten selbst.
Mehrfach hat Strauß dem Opus programmatische Erklärungen an die Seite gestellt, die je nach Alter und Laune des Komponisten höchst unterschiedliche Aspekte betonen. Einerseits schrieb er an Romain Rolland, der später eine detaillierte Analyse von „Ein Heldenleben“ anfertigte: „Sie brauchen mein Programm nicht zu lesen. Es genügt zu wissen, dass es einen Helden im Kampf mit seinen Feinden beschreibt“, andererseits legte er Wert auf die Assoziation eines exzeptionellen Menschen auf seinem Lebensweg zu innerer Harmonie.
Die Überschriften der einzelnen Abschnitte lassen erkennen, wieviel Autobiografisches in diese sinfonische Bilderfolge eingeflossen ist. Das „Heldenleben“ ist keine „Eroica“ und will auch keine sein. Es ist eine artistische Hochleistung, die ein Meister im Kraftgefühl des Alleskönnens gestellt hat, ein Meister, der sein Jahrhundert in die Schranken weist. Ein weitgeschwungenes Thema dominiert die Tondichtung, eine ganze Themenfolge, die doch über viele Takte hinweg unter einheitlichem Duktus steht. Das Opus präsentiert dem Verständnis kaum Schwierigkeiten. Man beachte vor allem die Partie III mit den Gängen der Solovioline, einem zweifellos sehr „porträtähnlichen“ Sinnbild kapriziöser Weiblichkeit, hinter dem niemand anders steht als Strauß`Gattin Pauline steht. Aber es bleibt nicht bei dieser etwas giftigen Kaprice, denn nun entwickelt sich der schönste Liebesgesang, ein Höhepunkt des ganzen Tongedichts. Die Stelle der Durchführung in der klassischen Sinfonie nimmt der Satz „Des Helden Walstatt“ ein. Auch der folgende Abschnitt muss mit zur Durchführung gerechnet werden, eine oft missverstandene Episode, in der Strauß als „Friedenswerke“ Themen eigener früherer Werke zitiert: „Don Juan“, „Tod und Verklärung“ u.a.. Der Ausklang des „Heldenlebens“ ist wieder einer jener musikerfüllten, herrlichen Epiloge, die jeden Hörer entschädigen müssen, wenn er für das Vorangegangene nicht immer den rechten Geschmack aufgebracht haben sollte.
Vor allem gefiel bei dieser anspruchsvollen Soiree Adrian Iliescu, erster Konzertmeister der Hamburger Symphoniker, der für Carlos Johnson eingesprungen war, der sich noch im Urlaub befand. Er spielte einfühlsam und nuanciert Violine mit allerfeinsten seelischen Regungen.
Die Mitglieder des „Lübecker Philharmonischen Orchesters“ spielten virtuos und brillant und mit Feuer, Leidenschaft und Hingabe. Sie meisterten auch die schwierigsten Passagen mit Bravour. Andreas Wolf leitete sicher, beherzt und engagiert.
Alle Beteiligten wurden schließlich von den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern mit sehr viel Beifall bedacht.
Lutz Gallinat