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„Sonderregelungen für Gerichte und Staatsanwaltschaften für die Dauer der Pandemie des Coronavirus (SARS-CoV-2)“

Sonderregelungen für Gerichte und Staatsanwaltschaften für die Dauer der Pandemie des Coronavirus (SARS-CoV-2) Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) wurde am 11. März 2020 von der Weltgesundheitsorganisation zu einer Pandemie erklärt. Ziel der staatlichen Bemühungen ist es weiterhin, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus zu verringern.

Vor diesem Hintergrund bedarf es auch sichernder Maßnahmen für die Sicherstellung des Betriebes der schleswig-holsteinischen Gerichte und Staatsanwaltschaften.

I.     Zugang zu Gerichten und Staatsanwaltschaften

Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren hat zur Eindämmung der Pandemie angeordnet, dass umfangreiche Schutzmaßnahmen i.S.v. § 28 Abs. 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) umzusetzen sind.[1] Hierzu zählen neben der Schließung von Schulen und Kindertagesstätten, der Untersagung grundsätzlich aller öffentlichen Veranstaltungen sowie der Schließung von einer Vielzahl von Einrichtungen auch Zutrittsbeschränkungen für alle öffentlichen Einrichtungen.

Die angeordneten Maßnahmen sind auch bei den schleswig-holsteinischen Gerichten und Staatsanwaltschaften erforderlich. Grundlage für die unmittelbare Umsetzung ist die Regelung des Hausrechtes in § 14 Landesjustizgesetz (LJG)[2] – insbesondere in § 14 Abs.1 Nr. 5 LJG. Bei den Maßnahmen ist allerdings der Grundsatz der Öffentlichkeit von Verhandlungen (§ 169 Abs. 1 Satz 1 GVG) zu berücksichtigen.[3]

Im Einzelnen bedeutet dies bis auf Weiteres:

 

  1. Der Zugang zu Gerichten und Staatsanwaltschaften ist für Personen, die keine Justizbediensteten sind, auf ein absolut notwendiges Minimum zu beschränken.

Kantinen dürfen nur noch für Justizbedienstete als reine Verkaufsstellen ohne Restaurationsbetrieb betrieben werden.

Besuchsgruppen und ähnliche Veranstaltungen sind abzusagen.

Rechtsuchende sind – soweit möglich – auf die schriftliche Antragstellung zu verweisen (vgl. z.B. die Besucherregelungen des Amtsgericht Kiel für Fälle der Beratungshilfe, Apostillen und Legalisationen, Nachlassangelegenheiten, Betreuungsangelegenheiten und Grundbuchangelegenheiten: https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/AGKIEL/01_Startseite/sonder/corona.html).

Für Rechtssuchende ist eine Telefonhotline einzurichten, auf die auch in einem Aushang am Eingangsbereich hinzuweisen ist.

  1. Personen, die keine Justizbediensteten sind, dürfen Gerichte und Staatsanwaltschaften grundsätzlich nur zur Wahrnehmung von Terminen, zu denen sie geladen wurden, betreten. Dies gilt aufgrund des sich aus der Pandemie ergebenen besonderen Anlasses auch für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie andere externe Organe der Rechtspflege (§ 14 Abs. 2 LJG).

Die Terminsladung ist im Rahmen der Zugangskontrolle vorzulegen. Die Eingangskontrolle ist über die in den Gerichten und Staatsanwaltschaften stattfindenden Termine (Zeit und Raum) und die hierzu geladenen Personen zu informieren, z.B. durch Listen. Im Zweifelsfall soll die Eingangskontrolle durch interne Rückfrage feststellen, ob eine Person zu einem Termin zutrittsberechtigt ist.

Der Zutritt ist innerhalb der Gebäude nur soweit gestattet, wie er zur Wahrnehmung des Termins erforderlich ist.

Anwaltspostfächer in den Gerichtsgebäuden sollen nicht mehr genutzt werden. Eine Abholung noch in den Fächern eingelegter Post soll ohne Zutritt zum Gebäude durch Vermittlung des Justizwachmeisterdienstes im Bereich der Eingangskontrolle erfolgen.

  1. Der Zutritt zu Gerichtsgebäuden zum Zweck des Besuches von öffentlichen Verhandlungen ist grundsätzlich zu gestatten.

Der Zutritt ist innerhalb der Gebäude nur soweit gestattet, wie er zur Teilnahme an der öffentlichen Verhandlung erforderlich ist.

  1. Personen, die keine Justizbediensteten sind, müssen im Rahmen der Zugangskontrolle vor Betreten der Liegenschaften den anliegenden Fragebogen ausfüllen. Dies gilt aus aufgrund des sich aus der Pandemie ergebenen besonderen Anlasses auch für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie andere externe Organe der Rechtspflege (§ 14 Abs. 2 LJG).

Hierbei ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass zum Personal der Eingangskontrolle wie auch zu anderen Besucherinnen und Besuchern ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten wird.

Die Fragebögen enthalten auch Angaben zur Person und Kontaktdaten, durch die sichergestellt werden soll, dass bei späteren Verdachtsfällen die Person ausfindig gemacht werden kann. Aus diesem Grund hat vor jedem Zutritt eine auf dem Fragebogen zu dokumentierende Identitätsfeststellung zu erfolgen, durch die die Richtigkeit der Angaben verifiziert wird. Die Fragebögen werden tagesweise unter Verschluss gesammelt. Eine Vernichtung erfolgt erst nach gesonderter Anordnung durch das Ministerium.

  1. Abweichend von Ziffern 2 und 3 ist Personen, die keine Justizbediensteten sind (einschließlich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie anderen externen Organen der Rechtspflege), der Zutritt zu den Gerichten und Staatsanwaltschaften zu untersagen, wenn sie innerhalb der letzten 14 Tage
  2. a) in einem internationalen Risikogebiet oder einem besonders betroffenen Gebiet in Deutschland entsprechend der Festlegung durch das Robert Koch-Institut (RKI) (tagesaktuell abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html) waren,
  3. b) in Österreich, der Schweiz oder der französischen Alpenregion waren, oder
  4. c) Kontakt zu einer am Coronavirus erkrankten Person oder zu jemandem hatten, bei dem der Verdacht auf eine Coronavirus-Erkrankung besteht.

Gleiches gilt, soweit diese Personen unspezifische Allgemeinsymptome oder Atemwegsprobleme – gleich welcher Schwere oder Ausprägung – aufweisen und in den letzten vierzehn Tagen vor Erkrankungsbeginn eine der unter a) bis c) genannten Fallkonstellationen vorlag.

Soweit es sich um Personen, die zu einem Termin geladen wurden, oder deren Vertreterin oder Vertreter handelt, sind die für die Ausrichtung des Termins Verantwortlichen über die Zutrittsuntersagung unverzüglich zu informieren.

 

  1. Soweit die Durchführung von Terminen in Gerichten oder Staatsanwaltschaften zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes zwingend erforderlich ist, ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass eine Ansteckungsgefahr weitgehend ausgeschlossen ist.

II.     Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gerichte und Staatsanwaltschaften

Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gerichte und Staatsanwaltschaften gelten zunächst die beiden bereits übersandten Erlasse des Chefs der Staatskanzlei vom 09.03.2020 und 12.03.2020.

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Mobilgeräten ausgestattet sind, haben diese täglich nach Dienstschluss mitzunehmen.

Die Anwesenheit in den Dienstgebäuden und der persönliche Kontakt mit anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Dienststellen ist auf das absolut notwendige Minimum zu beschränken. Soweit möglich sollten die Dienstgeschäfte so organisiert werden, dass sie in Heimarbeit erledigt werden können, z.B. durch regelmäßige Mitnahme von Akten und kurz angelegten Austausch der Akten im Gericht. Soweit eine Anwesenheit in den Dienststellen erforderlich ist, ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass eine Ansteckungsgefahr weitgehend ausgeschlossen ist (z.B. Verteilung auf Einzelbüros).

Termine in Gerichten und Staatsanwaltschaften sollten auf ein absolut notwendiges Minimum beschränkt werden. Dabei sind das Interesse an der Durchführung des Termins und die Risiken einer möglichen Verbreitung des Virus miteinander abzuwägen. Bei Fortsetzungsterminen in Strafsachen und in Fällen von Untersuchungshaft dürfte regelmäßig das Interesse an der Durchführung des Termins überwiegen. Bei der Anberaumung von Haftsachen sollte darauf geachtet werden, dass der Gefangenentransport über Landesgrenzen hinweg nur im Ausnahmefall als Einzeltransport stattfinden kann.

Bei notwendigen Terminen außerhalb der Dienststelle sind die jeweils gebotenen Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten.

Der für die Rechtschutzgewährung unverzichtbare Betrieb der Gerichte und Staatsanwaltschaften ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Dies gilt insbesondere für den Bereitschaftsdienst und Eilmaßnahmen.

Als Instrumentarien zur Kompensation von Personalausfällen und Engpässen im Bereich der Richterinnen und Richter stehen insbesondere § 12 DRiG (Verwendung eines Richters auf Probe), § 27 Abs. 2 DRiG (Übertragung eines weiteren Richteramts) und § 37 DRiG (Abordnung) zur Verfügung. Sollte es aufgrund der Pandemie zu vermehrten krankheitsbedingten Ausfällen oder sonstigen Einschränkungen für den Dienstbetrieb kommen, die die Arbeitsfähigkeit eines Gerichtsstandortes vollständig beeinträchtigten, kann auf die in §§ 22b, 70, 117 GVG, § 19 ArbGG hierfür vorgesehenen Regelungen zurückgegriffen werden. Falls ein Gericht trotzdem an der Ausübung der Gerichtsbarkeit tatsächlich verhindert ist, kommt im einzelnen Verfahren eine Zuständigkeitsbestimmung durch das nächsthöhere Gericht nach § 53 VwGO, § 36 ZPO und § 5 FamFG in Betracht.

Soweit die Beschlussfähigkeit von Präsidien beeinträchtigt sein sollte, bleibt die Handlungsfähigkeit des Gerichts über § 21i GVG gewährleistet.

[1] § 28 IfSG – Schutzmaßnahmen

(1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen; sie kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind. Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden insoweit eingeschränkt. (…)

 

[2] § 14 LJG – Hausrecht

(1) Die Leiterinnen und Leiter der Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie die von ihnen beauftragten Beschäftigten können zum Zwecke der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes nach pflichtgemäßem Ermessen die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Behörden- oder Gerichtsgebäude und dem dazugehörigen Außenbereich erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere

  1. generelle Einlasskontrollen durchführen, auch unter Einsatz technischer Hilfsmittel, die zum Auffinden von zur Störung der Sicherheit und Ordnung verwendbarer Gegenstände geeignet sind,
  2. eine Person und mitgeführte Sachen durchsuchen und unter Einsatz technischer Mittel absuchen, insbesondere wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führt, die nach Nummer 3 sichergestellt werden dürfen,
  3. Waffen, gefährliche Gegenstände und sonstige Gegenstände, die geeignet sind, die Sicherheit und Ordnung zu stören, sicherstellen,
  4. die Identität einer Person feststellen,
  5. zur Abwehr einer nicht nur unerheblichen Gefahr für die Sicherheit und Ordnung eine Person vom Grundstück verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten des Grundstücks verbieten.

(2) Gegenüber Organen der Rechtspflege sind Kontrollmaßnahmen, die über eine Identitätsfeststellung im Rahmen genereller Einlasskontrollen hinausgehen, regelmäßig nur bei besonderem Anlass zulässig. Ihre Rechtsstellung ist dabei zu berücksichtigen und nicht unangemessen zu beeinträchtigen.

(3) Mit dem Vollzug der getroffenen Maßnahmen soll der Justizwachtmeisterdienst beauftragt werden.

[3] § 169 GVG

(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. (…)