Tagung / Diskussion zur Zukunft des Holstentores
Tagung / Diskussion zur Zukunft des Holstentores – Am 10. und 11. März wurde auf einer Tagung zur Neugestaltung des Museums Holstentor der Öffentlichkeit und einem Gremium von acht Experten aus Lübeck, Hamburg, Hannover, Bremen, Köln und Berlin ein mögliches Konzept zur Diskussion gestellt. Grundgedanke ist es, die Stadtgeschichte im internationalen Kontext darzustellen und neben Lübecker Objekten auch Exponate aus der seit 2008 geschlossenen Völkerkundesammlung zu zeigen.
Die Tagung begann mit einem Vortrag von Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums Berlin, die von den Ausstellungsplanungen im Humboldt Forum im wieder aufgebauten Berliner Stadtschloss berichtete.
Die Historikerin Antjekathrin Graßmann informierte über die weltumspannenden Beziehungen Lübecks im 19. Jahrhundert. Es folgte die Präsentation des Konzeptes durch den Leitenden Direktor der Lübecker Museen, Prof. Dr. Hans Wißkirchen, und Dr. Brigitte Templin, Leiterin der Lübecker Völkerkundesammlung.
In den drei Stockwerken des Holstentors sollen unter den Schlagwörtern „Abgrenzung“, „Kontakt“ und „Miteinander“ die historischen Verbindungen Lübecks mit dem Rest der Welt veranschaulicht werden. Neben den wirtschaftlichen sollen auch kulturelle Beziehungen thematisiert werden, etwa unter der Fragestellung, wie der Zuzug von Menschen aus anderen Kulturen das städtische Leben verändert hat und bis heute prägt. In diesem Zusammenspiel von Stadtgeschichte und Weltgeschichte wird ein zeitlicher Bogen von der Gegenwart bis zum Zeitpunkt der Errichtung des Holstentors gespannt. Der Schwerpunkt soll auf der Zeit vom 18. bis 20. Jahrhundert liegen.
Auch die dunklen Kapitel der Stadtgeschichte sollen nicht verschwiegen werden. Hierzu zählen die Zeit des Kolonialismus, der Erste Weltkrieg und das Dritte Reich, die Jahrhunderte zurückreichende Ausgrenzung und Verfolgung von Juden in Lübeck oder die bis heute bestehenden Klischees und Vorurteile über Volksgruppen wie die Sinti und Roma.
Bereits zu Beginn der Tagung hatten Kultursenatorin Kathrin Weiher und Prof. Dr. Wißkirchen betont, dass dieses Konzept als Grundlage für weitere Diskussionen dienen soll. Der Wunsch nach intensiver inhaltlicher Auseinandersetzung erfüllte sich im Anschluss an die Präsentation. Das Konzept wurde von den Experten mehrheitlich als ambitioniert und zeitgemäß gelobt. Viel Zuspruch erhielt die Idee, Exponate aus der Völkerkundesammlung zu zeigen, da sie einmalige Stücke umfasst, die Kunstliebhaber aus aller Welt anziehen könnten. Zugleich wurde angemahnt, dass mit der neuen Ausstellung im Holstentor die Frage nach der Zukunft der Völkerkundesammlung keinesfalls abgehandelt wäre. So hoben die Museumsdirektoren aus Hamburg und Bremen die große Bedeutung ethnologischer Museen angesichts der Herausforderungen der Integration von Flüchtlingen hervor.
Die Frage, inwiefern Lübeck in Vergangenheit und Gegenwart als weltoffen bezeichnet werden dürfte, wurde kontrovers diskutiert. In diesem Zusammenhang wurde gefordert, dass in der neuen Ausstellung auch der koloniale Hintergrund der Gründungszeit der Völkerkundesammlung thematisiert wird.
Einige Kritiker bemängelten die wenig behindertengerechten baulichen Gegebenheiten des Holstentors. Zudem wurde aus dem Publikum der Wunsch geäußert, für den Verbleib lieb
gewonnener Exponate auch in der neuen Ausstellung Platz zu reservieren. Hierzu zählt neben den Folterinstrumenten auch das alte Stadtmodell, mit dem viele Lübecker Kindheitserinnerungen an Besuche im Holstentor verbinden würden. Die Befürworter des Konzeptes betonten, dass die neue Ausstellung in ihrer Vielschichtigkeit auch Verweise auf die anderen Museen und Attraktionen der Stadt enthalten und so letztlich auch dort ein Zuwachs an Besuchern verursachen könnte.
Insgesamt ergab die Fachdiskussion als Ergebnis, dass das vorgestellte Konzept vom Grundsatz her eine große Chance für Lübecks Museumslandschaft darstellt, da es diese Verknüpfung von Stadtgeschichte und Ethnologie bisher nirgends gibt. Lübeck könne mit diesem ambitionierten Vorhaben Maßstäbe setzen. Allerdings sei es notwendig, den Zusammenhang von Stadtgeschichte und Sammlung noch genauer zu fassen, als dies bisher geschehen sei.