Tagung in Lübeck-Travemünde fortgesetzt: Landessynode der Nordkirche fordert gerechtes und humanitäres Bleiberecht
Lübeck-Travemünde (fz). Die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) fordert „von den verantwortlichen Politikern in unserem Land, dass ein Bleiberecht geschaffen wird, das eine gerechte und humanitäre Lösung für die Flüchtlingsfrage in Europa ermöglicht“. Eine entsprechende Erklärung haben die 156 Synodalen heute (20. September) auf ihrer Tagung in Lübeck-Travemünde bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen beschlossen.Der Synodale Wolfgang Grytz (Kirchenkreis Hamburg-Ost) und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung sagte bei der Einbringung des Antrags, „es geht nicht nur um Hamburg“. Doch der Einsatz der zahlreichen Helferinnen und Helfer in St. Pauli „macht Mut“. Bereits in der Morgenandacht hatte Pastor Sieghard Wilm die Situation in der Hamburger St. Pauli-Kirchengemeinde geschildert und Paulus zitiert: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht (…). Wilm: „Wir brauchen Ermutigung angesichts der Ohnmacht der Schwachen und der gefühlten Ohnmacht der Mächtigen.“
Nach intensiver Diskussion hat die Landessynode eine Erklärung beschlossen, mit der sie für eine solidarische Gestaltung der Flüchtlingsaufnahme in Europa eintritt. Die europäische Abschottungspolitik müsse beendet werden, heißt es in dem Wort der Synode. „Am Beispiel von Hamburg erleben wir zurzeit, wie die verzweifelte Lage von Flüchtlingen die Menschen einer Stadt dazu bringt, sich einzusetzen. Dazu gehören auch viele Christinnen und Christen, und wir sind als Kirche als ganze gefordert.“
Die Erklärung im Wortlaut:
Wort der Landessynode
Flüchtlingsaufnahme in Europa solidarisch gestalten. Unsere Rolle als Christinnen und Christen: „Ich war fremd und Ihr habt mich aufgenommen.“ (Matthäus 25)
Viele Worte der Evangelischen Kirche in Deutschland und Synodenpapiere zur Situation von Flüchtlingen in Europa und Deutschland mahnen die Achtung der Würde des Menschen an.
Es gibt gegenwärtig keine befriedigende Lösung für die europäische Flüchtlingsproblematik. Die Dublin III-Verordnung ist eine reine Zuständigkeitsregelung zur Flüchtlingsaufnahme. Sie regelt nicht die erforderliche gemeinsame europäische Verantwortung. Die südlichen Länder Europas sind mit den durch regionale Krisen entstehenden Fluchtbewegungen alleingelassen. Flüchtlingsabwehr an den EU-Außengrenzen hat gegenüber jeder humanitären Aufnahme den Vorrang.
Die Problematik hat auch unser Land erreicht. Wir begegnen immer mehr Menschen, die mehrfach in Europa hin- und hergeschoben wurden. Sie sind krank an Leib und Seele dadurch, dass sie nirgendwo einen Platz finden.
In Hamburg und in anderen Städten und Regionen der Nordkirche engagieren sich Christinnen und Christen seit langem durch Kirchenasyle und Gästewohnungen für Flüchtlinge. Wir dürfen als Kirche nicht müde werden, Menschen in Not zu schützen und zu begleiten. Die biblischen Grundlagen sind deutlich: „Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen.“ (Mt. 25, 35) „Die Flüchtlinge“ dürfen nach diesem Wort Jesu nicht länger bloße Objekte politischer Entscheidungen bleiben, sondern sollen mit uns gemeinsam leben können. Auch in Zukunft werden Menschen fliehen müssen. Wir sollten also heute beginnen, das Zusammenleben zu üben, eine Willkommenskultur zu pflegen und einander auf Augenhöhe zu begegnen.
Wir sehen mit Sorge, wie die Fragen von Flucht und Migration unsere Gesellschaft immer weiter spalten. Viele haben Angst vor der Einwanderungsgesellschaft. Viele leisten Hilfe und setzen sich gemeinsam mit Flüchtlingen für deren Menschenrechte ein, so dass Teilhabe möglich wird. Wir sollten uns in den Kirchengemeinden dafür einsetzen, diese Ängste vor Zuwanderung abzubauen.
Am Beispiel von Hamburg erleben wir zurzeit, wie die verzweifelte Lage von Flüchtlingen die Menschen einer Stadt dazu bringt, sich einzusetzen. Dazu gehören auch viele Christinnen und Christen, und wir sind als Kirche als ganze gefordert.
Wir sind dankbar für all diejenigen, die sich schon seit Jahrzehnten für Flüchtlinge engagieren und an der Seite von Menschen in Not stehen. Wir sind dankbar besonders für die Kirchengemeinden, die Moscheen und für alle anderen Unterstützerinnen und Unterstützer in Hamburg für ihr Engagement für die Flüchtlinge in St. Pauli. Mit ihnen fordern wir, dass sie gehört werden und hier ein Leben in Würde führen können.
Wir erkennen, dass sich Politikerinnen und Politiker für eine humanitäre Lösung einsetzen. Mit ihnen treten wir ein für nachhaltige Lösungen und für eine Gesellschaft, die für Flüchtlinge offen ist.
Wir fordern von den verantwortlichen Politikern in unserem Land, dass ein Bleiberecht geschaffen wird, das eine gerechte und humanitäre Lösung für die Flüchtlingsfrage in Europa ermöglicht und bitten den Bevollmächtigten der EKD bei der Europäischen Union, sich weiterhin mit Nachdruck für dieses Ziel und entsprechende gesetzliche Regelungen einzusetzen.
Im Blick auf die „Lampedusa-Gruppe“ in Hamburg erwarten wir, dass die politisch Handelnden eine Lösung herbeiführen, die unter Ausnutzung aller rechtlichen Möglichkeiten Lebenschancen für diese Menschen in Deutschland eröffnet.
Wir fordern eine Aufnahmepolitik, die ein Zusammenleben mit Flüchtlingen in Europa ermöglicht. Die europäische Abschottungspolitik muss beendet werden.
Wir fordern, die Vorschläge aus Diakonie und Kirche ernst zu nehmen und eine Regelung zu treffen, durch die Familienbindungen und andere humanitäre Gründe berücksichtigen werden, und die eine echte solidarische Aufnahme von Flüchtlingen in Europa ermöglicht.
Die Landessynode der Nordkirche fordert die EKD auf, sich diesen Forderungen anzuschließen, um eine Änderung der europäischen Flüchtlingspolitik voranzutreiben.