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Politik & Wirtschaft

Teilerfolg für PIRATEN-Klage: EU-Gericht stärkt Transparenz bei abgeschlossenen Gerichtsverfahren, verbietet aber Offenlegung laufender Gerichtsverfahren

Das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg (EuG) hat heute einer Klage des Abgeordneten der Piratenpartei Patrick Breyer aus Schleswig-Holstein gegen die EU-Kommission auf Offenlegung gerichtlicher Schriftsätze stattgegeben (Az. T-188/12). Danach muss die EU-Kommission künftig in aller Regel den Schriftverkehr in abgeschlossenen Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof offenlegen. Breyer begrüßt diese Entscheidung: »Dieses Urteil zwingt die EU-Kommission zu mehr Transparenz in EU-Gerichtsverfahren. Sie muss den Schriftwechsel in EU-Gerichtsverfahren zumindest nachträglich offenlegen. Wir brauchen diese Transparenz insbesondere da, wo die EU-Gerichte über Massenüberwachungsmaßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung entscheiden. Die Gültigkeit solcher Eingriffe in unsere Grundrechte geht uns alle an. Die Argumentation und Anträge der Regierungen in solchen Verfahren müssen der öffentlichen Kontrolle unterworfen werden. In einer Demokratie ist die Staatsgewalt der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftspflichtig, auch für ihr Verhalten vor Gericht.«

Eine Veröffentlichung der Korrespondenz während laufender Verfahrens erklärt das EU-Gericht dagegen für unzulässig. Die Parteien müssten vor Gericht ohne äußeren Einfluss und öffentliche Diskussion argumentieren können. Das Gericht beanstandet in diesem Zusammenhang Internetkommentare, die ›der Kommission gegenüber sehr kritisch waren‹.

Breyer: »Nicht akzeptabel ist das vom Gericht angenommene Verbot der Veröffentlichung von Schriftsätzen zu laufenden Verfahren. EU-Gerichtsverfahren mit weitreichenden Folgen für jeden Bürger drohen so zu Geheimverfahren zu werden. Die Idee, Staaten müssten vor Gericht ›unabhängig von jedem äußeren Einfluss‹ auftreten können, widerspricht dem Grundgedanken der demokratischen Kontrolle und der Pressefreiheit. Parlamente und Öffentlichkeit müssen diskutieren können, ob Staatsvertreter vor Gericht ihrem Eid gerecht werden und zum Wohle der Bürger handeln, um rechtzeitig Korrekturen einfordern zu können. Dieser Teil der Entscheidung ist leider nicht anfechtbar. Deshalb sollte die Politik in dieser Sache aktiv werden und ein Einsichtsrecht in Akten der EU-Gerichte schaffen. Gerechtigkeit braucht Öffentlichkeit.«

Quellen:
[1] Pressemitteilung des EU-Gerichts zum Urteil: http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2015-02/cp150026de.pdf
[2] Das Urteil im Wortlaut: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=162573&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=345353
[3]  Weitere Informationen zu der Klage und die gewechselten Schriftsätze im Wortlaut: http://www.patrick-breyer.de/?tag=t-18812
[4] Die vom EU-Gericht beanstandeten kritischen Internet-Kommentare über das Veröffentlichungsverbot: http://www.patrick-breyer.de/?p=22408