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Lübeck Lupe

Gutachten zur Wohnbebauung Herreninsel liegt vor, Eignung als Wohnbaufläche schneidet unter planerischen Gesichtspunkten schlecht ab

Archivfoto: TBF/Wolfgang Freywald

Ein durch die Lübecker Bürgerschaft eingefordertes und mit Spannung erwartetes Gutachten, das die Frage klären soll, ob die Herreninsel dauerhaft als Wohngebiet geeignet ist, liegt nun vor. Die Frage, ob eine Wohnnutzung auf der Insel mit ihrer peripheren Lage und der Nachbarschaft zu den Hafenterminals überhaupt möglich ist, beschäftigt die Verwaltung und die Politik schon länger. Im Gutachten wurde zum einen geprüft, ob eine Fortführung und Verfestigung der ursprünglich nur als Notbehelf eingerichteten Wohnnutzung rechtlich machbar ist. Zum anderen wurde eine Einschätzung vorgenommen, ob der Standort städtebaulich geeignet ist. Damit liegen nun die wichtigen Informationen vor, um in den politischen Gremien über die Zukunft der Herreninsel diskutieren zu können.Das Gutachten des Büros Elbberg aus Hamburg zeigt hierin, dass eine Wohnnutzung auf der Herreninsel unter den Rahmenbedingungen des Hafenentwicklungsplans (HEP) 2030 rechtlich möglich ist. Die Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens mit dem Ziel der Etablierung einer Wohnnutzung hätte demnach Aussicht auf Erfolg. Eine langfristig intensivere Nutzung der linksseitigen Mittelhäfen (z.B. in Form eines Nachtbetriebs am Seelandkai), die über die Szenarien des HEP hinausreicht, würde jedoch zu einem erheblichen Lärmkonflikt führen. Die Entscheidung für eine Verfestigung der Wohnnutzung wäre deshalb mit dem Preis einer langfristig eingeschränkten Hafennutzung verbunden.

Erhebliche Defizite an sozialer Infrastruktur
Es handelt sich bei der Herreninsel laut Gutachten zudem um ein Gebiet, dessen Eignung als Wohnbaufläche unter planerischen Gesichtspunkten schlecht abschneidet. Den zweifellos vorhandenen hohen landschaftlichen Lagepotenzialen stehen erhebliche Einschränkungen gegenüber, was die Ausstattung mit sozialer Infrastruktur, insbesondere für junge Familien, angeht. Für eine wirtschaftliche Bereitstellung dieser Infrastruktur direkt vor Ort fehlt an dieser Randlage das erforderliche Flächenpotenzial. Eine fast ausschließlich für den Autoverkehr optimierte Anbindung der Herreninsel schließt eine eigenständige nicht motorisierte Mobilität, z.B. für Rad fahrende oder zu Fuß gehende Schulkinder, weitestgehend aus.
Bausenatorin Joanna Hagen sieht die Etablierung der Wohnnutzung daher weiterhin kritisch: „Auch wenn wir hier einen Bebauungsplan rechtlich durchbekommen würden, warne ich davor, dies zu tun. Gute Wohnstandorte definieren sich durch kurze Wege, öffentliche Verkehrsanbindung, Kitas und Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, ärztliche Versorgung. Das ist das, was Menschen im Wohnumfeld brauchen, und all das fehlt auf der Herreninsel. Wäre eine eingeschränkte Wohnnutzung nicht bereits vorhanden, würde man den Standort als Wohngebiet nicht in Erwägung ziehen.“ Einen Beitrag zur Entspannung des Wohnungsmarktes könne die Herreninsel nach Senatorin Hagen nicht leisten. „Derzeit haben wir im Lübecker Wohnungsbau nicht das Problem fehlender Bauflächen.“

Auch stelle sich die Frage der Gerechtigkeit. Bei dem seit vielen Jahren laufenden Absiedlungsprozess, der dem Mieter ein vertraglich verankertes lebenslanges Mietverhältnis sichert und damit soziale Härten weitestgehend vermeidet, sind bereits über 50 Prozent der ursprünglich zum Wohnen genutzten Flächen an die Stadt zurückgegeben worden. „Dies geschah unter der Annahme einer langfristig verlässlichen Haltung der Stadt. Eine Änderung dieser Position würde schwer vermittelbare Gerechtigkeitsfragen aufwerfen“, kommentiert Senatorin Hagen.

Weitere Infos
Weitere Informationen führt der Bericht der Stadtplanung aus, der jetzt den politischen Gremien zur Beratung vorliegt. Dieser ist abrufbar unter www.luebeck.de/politik.