Marlies Fritzen: Bienen brauchen Blumen
Seit einigen Jahren stehen Wissenschaftler und Imker zum Teil ratlos vor einem fast weltweiten Phänomen: dem Massensterben von Bienenvölkern. Auch Schleswig-Holstein ist betroffen. Im Winter 2011/2012 (im vorletzten Winter) sind fast ein Drittel aller Bienenvölker bei uns eingegangen. Selbst wenn die Zusammenhänge noch nicht abschließend erforscht sind, sind sich die meisten ExpertInnen darin einig, dass es vor allem zwei Hauptursachen gibt: -> zum einen der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln -> zum anderen das mangelnde Nahrungsangebot, weil es in unserer Kulturlandschaft immer weniger blühende Pflanzen gibt.Das gilt für Wildpflanzen, aber auch für Kulturpflanzen. Die Artenvielfalt bei den Nutzpflanzen hat in den letzten Jahrzehnten drastisch abgenommen.
Es werden kaum noch Pflanzen angebaut, die ein Blühangebot für Bienen darstellen und wenn, dann nur in intensivierten Monokulturen, die man ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht mehr in den Griff bekommt (wie Raps in Schleswig-Holstein).
Dabei ist es ist eine Binsenweisheit: Bienen brauchen Blumen! Wir müssen uns um dieses Problem kümmern und dürfen die Imker damit nicht alleine lassen. Wenn es den Honigbienen schlecht geht, können auch sehr bald wir selbst betroffen sein.
Denn erstens sind Bienen für uns Menschen von sehr großem Nutzen. Ein Drittel der globalen Nahrungsproduktion und viele Wildpflanzen hängen von der Bestäubungsleistung von Bienen und anderen Insekten ab. Bienen werden deshalb auch hinter Rindern und Schweinen als drittwichtigstes Nutztier der Menschheit benannt. Die Leistung, die durch die Bienen für uns als Gesellschaft erbracht werden, sind leider, wie viele andere Leistungen der Natur, so lange unsichtbar, wie es sie gibt, und werden uns erst bewusst, wenn sie verloren gegangen sind. So dramatisch es klingen mag, es ist doch bittere Wahrheit: Eine weltweite Hungersnot wäre die Folge, würden die Bienen verschwinden!
Und zweitens sind Bienen ein Indikator für den Zustand der Umwelt. Sie zeigen an, dass etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist. Betroffen sind nicht allein die Honigbienen, sondern auch wildlebende blütenbesuchende Bienen- und Wespenarten. Sie ernähren sich von Nektar und Pollen, dabei bestäuben sie die Pflanzen und sorgen so für deren Fortpflanzung. Ganz so, wie wir es im Aufklärungsunterricht gelernt haben.
Die Pflanzen sind also genauso von den Bienen abhängig wie umgekehrt. Einige Wildbienen sind sogar hochspezialisiert und besuchen nur ganz bestimmte Blumen, die es ohne sie auch nicht mehr gäbe.
Die gegenseitige Abhängigkeit verschiedener Arten in Ökosystemen ist ein faszinierendes Phänomen, das sich über lange Zeiträume entwickelt hat. Es gibt eine große Artenvielfalt an wildlebenden Bienen und Wespen, aber diese Vielfalt ist gefährdet.
Die Rote Liste der Wildbienen und Wespen in Schleswig-Holstein (von 2001, letzter verfügbarer Stand) nennt für Schleswig-Holstein sage und schreibe 612 Arten Wildbienen und Wespen, davon sind 105 Arten verschollen oder ausgestorben und 205 Arten gefährdet!
Wir begrüßen daher das von der EU beschlossene zweijährige Moratorium für drei Neonicotinoide. Damit allein ist es aber nicht getan. Unsere Landschaft muss wieder vielfältiger werden, um die Situation für Bienen und Wespen zu verbessern. Die Art der Landbewirtschaftung ist hier von zentraler Bedeutung.
Durch den vermehrten Anbau von Leguminosen (Klee, Bohnen, Erbsen, Luzerne,…) und durch Blühstreifen könnten wir das Nahrungsangebot der Insekten erheblich verbessern.
Diese Maßnahmen ließen sich im Rahmen des „Greenings“ der Direktzahlungen (EU-Agrarpolitik) umsetzen. Leider wird ein wirkliches „greening“ von der Agrarlobby massiv bekämpft und zum reinen „green-washing“ degradiert.
Vor dem Hintergrund des Zusammenhangs von Bestäubung und Pflanzenwachstum wird klar: die Bauern sägen sich mit dieser Haltung langfristig den Ast ab, auf dem sie heute schon unsicher sitzen.
Dass die Kollegen von der Piraten-Fraktion den Naturschutzaspekt und die Wildbienen in die Debatte eingebracht haben, finde ich gut und ich würde mich freuen, wenn wir diese Fragen im Ausschuss weiter vertiefen und ggf. zu einem gemeinsamen weiteren Antrag kommen könnten.