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Lübeck Lupe

Fraktion21 zweifelt am Nutzen von Smart City und fordert mehr Bürgerbeteiligung

Bürgermeister Lindenau will Lübeck zu einem bundesweiten „First-Class-Player“ bei der Schaffung einer digitalen Infrastruktur formen. Die Fraktion21 zweifelt schon aus grundsätzlichen Erwägungen am Nutzen dieser Idee. Jedenfalls wird die Umsetzung dieser Idee nicht gelingen, wenn Lindenau die Bürgerinnen und Bürger nicht stärker an der an der inhaltlichen Gestaltung und Umsetzung seines Lieblingsprojekts beteiligt. Hierzu erklärt der digitalpolitische Sprecher der Fraktion21, Wolfgang Liedtke:„Der Begriff „Smart City“ ist zu einem Mantra geworden, mit dem Unternehmen seit einigen Jahren auf Kommunen einwirken, um ihre technologischen Entwicklungen anzupreisen. Smart Cities sind mit digitaler Infrastruktur ausgestattet. Sensoren im öffentlichen Raum, Kameras und Messstationen sollen möglichst überall installiert werden.

Bürgermeister Lindenau ließ sich jüngst für eine neue Digital-Plattform feiern (siehe auch Lübecker Nachrichten vom 25.06.2022: „Eine Smart-City-Plattform für Lübeck – Neu und digital: Bürger können sich bei der Hansestadt über Parkplätze, Wassertemperaturen und mehr informieren“). Niemand hat etwas gegen eine intelligente Mülltonne, gegen die flächendeckende Kontrolle des öffentlichen Raums aber schon.

Bevor viel Geld ausgegeben wird, sollte genau beschrieben werden, welche Probleme durch teure IT-Lösungen gelöst werden sollen. Analoge Intelligenz reicht oft aus. Um festzustellen, dass der fließende Verkehr in einer Straße oder einem Viertel ins Stocken gerät und dass die Luftqualität nicht optimal ist, muss man nicht die ganze Stadt mit Messstationen ausstatten. Ein warnendes Beispiel für überbordenden Technologie-Wildwuchs ist die kanadische Metropole Toronto: Sie musste ihr Smart-City-Projekt aufgeben. Der Widerstand richtete sich dabei nicht gegen die architektonischen Pläne, sondern bei den Verantwortlichen reifte die Erkenntnis, dass das Smart-City-Konzept insbesondere auf einer maßlosen Datensammlung beruhte, die kaum persönliche Privatsphäre ermöglichte.

Doch welche Erwartungen haben eigentlich die Lübeckerinnen und Lübecker an eine Smart City? Interessiert sich der Bürgermeister überhaupt für deren Wünsche und Vorstellungen?

Seit dem 30.01.2020 hat die Hansestadt Lübeck ein Rahmenkonzept für eine Digitale Strategie. Als erste konkrete Maßnahmen und Pilotprojekte werden dort Ideen für eine umfassende Bürgerbeteiligung genannt: Zentrale Beteiligungsveranstaltungen mit allen Akteur:innen, Aufsuchende Partizipationsangebote, Gründung eines Beirates „Lübeck digital“.

Bei der Umsetzung dieser Bürgerbeteiligungsformate hapert es jedoch gewaltig.  Mehr als 2 Jahre hat es gebraucht, bis sich überhaupt der neue Beirat Lübeck Digital Mitte Juni 2022 im Lübecker Rathaus konstituiert hat. Von den anderen angekündigten  Beteiligungsformate bislang keine Spur. Es bleibt zu hoffen, dass der Beirat für den Bürgermeister mehr als ein bloßes digitales Feigenblatt sein wird. Den Menschen in Lübeck darf das Smart-City-Konzept nicht von oben übergestülpt werden. Keinesfalls darf es zum persönlichen Prestigeprojekt des Bürgermeisters mutieren.

Beispiele aus anderen Städten (Bamberg und Hamburg) zeigen, dass es auch anders geht:

In Bamberg zum Beispiel hat man sich mehrere Monate damit beschäftigt, wie man Aufmerksamkeit für das Thema schaffen und gleichzeitig die Ideen und Meinungen der Bevölkerung mit einfließen lassen könnte. Nach zahlreichen Einträgen auf einer Ideenplattform und bei einem Bürgerbeteiligungsevent sowie einer Vielzahl von „Bürgergesprächen“, einem guten Dutzend „Runder Tische“ und einem „Hackathon“ (einer gemeinsamen Software- und Hardwareentwicklungsveranstaltung) liegt Smart City Bamberg nun ein großer Pool an Vorschlägen und Impulsen vor. Bürgermeister Lindenau sollte diesen Beispielen folgen.“

Der Vorsitzende der Fraktion21, Wolfgang Neskovic, erklärt abschließend: „Die Idee von Smart City offenbart ein Grundproblem des digitalen Zeitalters: Rechtfertigen die versprochenen Vorteile, die eine vernetzte Welt ermöglichen soll, die Nachteile, die mit dieser Technik untrennbar verbunden sind? Wollen wir wirklich eine multifunktionale Straßenlaterne, die nicht nur Licht spendet, sondern zum Beispiel auch über die Funktionen Videoüberwachung, Fußgänger-Erkennung, Kfz-Kennzeichenleser, Umweltsensoren und einen Location-Beacon zum Erfassen der Position verfügt? Wollen wir ernsthaft solche Techniken einsetzen? Sind wir davon überzeugt, dass sie unsere Stadt lebenswerter machen und uns mehr bürgerliche Freiräume ermöglichen?

Wer solche Hoffnungen hegt, vergisst: Daten sind im digitalen Zeitalter ein wertvolles ökonomisches und politisches Gut. Die Voraussetzung für die Smart City, die Grundlage ihrer Organisation ist es, von jedem Bürger in Echtzeit immer zu wissen, wo er sich befindet und was er tut, um aus unterschiedlichen Motiven auf sein Verhalten Einfluss nehmen zu können. Der gläserne Bürger ist die DNA der Smart City. Städte werden von Orten kommunaler Demokratie zu überwachten Zonen umgebaut. In Toronto haben die Menschen diese Problematik gesehen und das Projekt abgebrochen. Wird Lübeck diesem Beispiel folgen?“