Menschlich gesehen

Konzert in St. Katharinen zu Lübeck

Es war eine anspruchsvolle und abwechslungsreiche musikalische Veranstaltung. Am 26.Juni 2021 wurden in der gut gefüllten Kirche St.Katharinen zu Lübeck unter dem Motto „Viertel nach zwölf “ Barockwerke von Johann Sebastian Bach geboten. Am Anfang stand das Violinkonzert a- moll mit den Satzbezeichnungen Allegro, Adagio und Allegro assai. Einzige Hauptquelle dieses Werks ist der um 1730 angefertigte Originalstimmensatz, welcher von Bach selbst, seinem Schüler Johann Ludwig Krebs (1713-1780) und seinem Sohn Carl Philipp Emanuel (1714-1780) sowie zwei unbekannten Kopisten hergestellt wurde. Vermutlich war er für eine Aufführung des Leipziger Collegium musicum bestimmt, dessen Leitung Bach im Frühjahr 1729 übernommen hatte. Die Kompositionspartitur und weitere Primärquellen existieren nicht. Diese Quellenlage hatte Christoph Wolff 1985 dazu veranlasst, für das a-Moll-Violinkonzert BWV 1041 eine Entstehung im Jahre 1730 anzunehmen. 1) „Bachs Orchester- und Kammermusik“, Das Handbuch, herausgeben von Siegfried Rampe, Teilband I, Orchestermusik ,von Siegfried Rampe, S.243-244

Als Violininkonzert in a-Moll stellt das Opus an Solist und Ripieno keineswegs höhere spieltechnische Ansprüche, als Antonio Vivaldi sie in seinem „L`Estro Armonico“ op. 3 (1711) fordert; die einzigen virtuosen Passagen in der Solopartie sind die Bariolage-Effekte mit wechselnden Saiten in den Takten 105-116 des Allegro-assai-Finales. Somit präsentiert die Komposition das spieltechnisch einfachste unter Bachs Violinkonzerten, weshalb man nicht über einen geigerisch exzellenten Musiker als Adressaten zu reflektieren hat. Als Ausführender wäre vielmehr jeder fähige Violinist in den Hofkapellen von Weimar und Köthen oder im Leipziger Collegium musicum in Frage gekommen , darunter auch Bach selbst. 2) Rampe S.245

Flirrende Streicher gestalteten eindrucksvoll das strahlende, gloriose , triumphierende, ausdrucks- und gehaltvolle Opus, das auch von ornamental-dekorativen, melodiös-eingängigen und stimmungsreichen Elementen geprägt war.

Es folgte das Doppelkonzert für Oboe und Violine d-moll mit den Satzbezeichnungen Allegro, Adagio und Allegro.

Die Vermutung, dass das Concerto v-moll BWV 1060 für zwei Cembali und Streicher auf ein Doppelkonzert in derselben Tonart für Oboe und Violine zurückgeht, haben erstmals 1886 Woldemar Voigt (1850-1919) und 1887 Paul Graf Waldersee (1831-1906) geäußert. Dazu hatte sie die geigerisch vollkommen idiomatische Einrichtung der 1.Cembalopartie im Gegensatz zu der cantableren Linienführung der 2.Stimme veranlasst, welche auf jegliche Anklänge an typische Streicherfiguren verzichtet. Dass es sich bei dem Blasinstrument um eine Oboe handelt, wird durch den verlangten Tonumfang c1, d1 – d3 bestätigt, der genau dem Ambitus der barocken Oboe entspricht. Diese Urfassung ist 1957 von Ulrich Siegele untermauert und bis heute nie in Zweifel gezogen wurde. 1970 fand sie als Rekonstruktion durch Wilfried Fischer Eingang in die NBA.

Obwohl der Nachweis der Originaltonart bereits vor 130 Jahren erbracht wurde, sind bis heute mehrere sogenannte Rekonstruktionen des Werks in d-moll verbreitet, die offensichtlich allein auf eine brillantere Wirkung zielen und dazu dienen, den vom Komponisten gewünschten, auf hohen Streichinstrumenten aber „dumpfen“ Klangcharakter der Tonart c-moll zu vermeiden. 3) Rampe S.307

Das partiell meditativ- besinnliche Doppelkonzert ist farbenreich, abgerundet, harmonisch , originell und phantasievoll und besitzt ein Feuerwerk an Ideen.

Den Abschluss bildete die Kantate 51 „Jauchzet Gott in allen Landen“.

Als ein Werk nach Konventionen der italienischen Solomotette, damit aber auch als eine unkonventionelle Leipziger Kirchenmusik aus der Feder Bachs stellt sich die Kantate „Jauchzet Gott in allen Landen“ dar, die der Komponist auch selbst als „Cantata“ bezeichnet hat, mithin als ein virtuoses Opus für Solo-Stimme- hier ist es der Sopran. An Instrumenten fordert die Komposition eine Trompete, Streicher und Basso continuo. Die Kantate ist auf dem originalen Titelumschlag dem 15.Sonntag nach Trinitatis zugewiesen, die Ergänzung „In ogni Tempo.“ weist aber schon darauf hin, dass das Werk mit seinem allgemeinen Lobpreis auf Gottes Güte zu vielen verschiedenen Anlässen verwendbar ist. Einer möglichen Aufführung in Leipzig am 17.September 1730 könnten daher andere vorausgegangen sein. 4) „Bachs Kantaten“, „Das Handbuch“, Teilband II, herausgegeben von Reinmar Emans und Sven Hiemke, S.166

Die Kantate ist formschön, erhaben, ausgewogen, erfüllend und erbaulich  und zeichnet sich durch reizvolle Variationen, die Fülle des Wohllauts und traumhaften und glanzvollen Belcanto  aus.

Barbara Köbele, Violine, Sergio Sanchez, Oboe, Ludwig Schuster, Trompete, Aaaron Biebuyck, Mette Jensen, Violine, Daniel Burmeister, Viola, Raphael Zinner, Violoncello, und Alf Brauer, Violone, alle Mitglieder des „Concerto Lübeck“, spielten virtuos und brillant und meisterten auch die schwierigsten Passagen mit Bravour.

Maike Albrecht, ebenfalls Mitglied im „Concerto Lübeck, bot einen reinen, hellen und lichten Sopran und war auch in den Höhen sicher.

Hans-Jürgen Schnoor, der exzellent Cembalo spielte, leitete sicher, beherzt und engagiert.

Alle Beteiligten wurden schließlich von den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern vor allem auch für die hervorragende Ensembleleistung mit sehr viel Beifall bedacht.

Lutz Gallinat