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Besondere Neuigkeiten

Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes referiert bei Nordkirchen-Synode: „Armut mindert gravierend die Teilhabechancen der Kinder“

Lübeck-Travemünde (maw). „Armut ist in jeder Gesellschaft ein Skandal. Armut bringt Menschen um ihre Lebensmöglichkeiten und um ihre Lebensperspektiven“, heißt es in der Informationsvorlage, die der Ausschuss für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung heute (27. Februar) der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) vorlegte. Die Kinderarmut in Deutschland und speziell auf dem Gebiet der Nordkirche ist eines der Themen der Synodentagung in Lübeck-Travemünde.Gegenwärtig sind 2,4 Millionen und damit 19,2 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland von Armut bedroht. Das bedeutet, sie oder ihre Eltern verfügen über weniger als 60 Prozent des mittleren bundesdeutschen Einkommens in Privathaushalten. Laut einer Untersuchung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder 2013 betrifft dies in Mecklenburg-Vorpommern sogar 33,2 Prozent der Kinder und Jugendlichen. Deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt auf dem Gebiet der Nordkirche auch der Stadtstaat Hamburg mit 23,2 Prozent. Nur Schleswig-Holstein befindet sich mit 18,3 Prozent der von Armut bedrohten Kinder und Jugendlichen leicht unter dem Bundesdurchschnitt. Wie eine Untersuchung des Kinderhilfswerks UNICEF ermittelt hat, sind insbesondere die Kinder von Alleinerziehenden betroffen: Jedes dritte Kind gilt hier als arm.

Armut als soziale Herausforderung für die Kirchen

Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, fand in seinem Impulsreferat vor den Synodalen deutliche Worte: „Jedes fünfte Kind gilt in Deutschland als arm – das ist eine nicht hinzunehmende Entwicklung. Obwohl Kinderarmut die Teilhabechancen der Kinder gravierend mindert, hat die Politik bis heute keine geeigneten Konzepte dagegen vorgelegt. Um Kinderarmut wirkungsvoll und nachhaltig zu bekämpfen, müssen endlich innovative und umfassende Konzepte einer kindbezogenen Armutsprävention umgesetzt werden, die weit über rein finanzielle Transferleistungen hinausgehen.“

„Armut ist eine Katastrophe, die gerade für Kinder fatal wirkt, weil sie verhindert, dass sie ihre Potenziale entfalten können“, stellte Dr. Andreas Tietze, Präses der Landessynode, fest. „Barrieren, die gesellschaftliche Teilhabe für Kinder einschränken, gehören abgebaut“, sagte er. Um in Armut lebende Kinder zu unterstützen, brauche es „einen Mix aus materiellen Hilfen, flächendeckenden Infrastrukturen, Förderung und Bildung von Anfang an sowie Zeit für Kinder“. Die Kindergrundsicherung bezeichnete der Präses als „wichtige Maßnahme zur Vermeidung von Kinderarmut“. Zudem müssten Familienbildung und Elternkompetenz gestärkt werden, so Tietze: „Starke Kinder brauchen starke Eltern.“ Kirche müsse „eine starke Lobby für unsere Kinder“ sein, forderte der Präses.

In der Pflicht sieht der synodale Ausschuss für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung dabei auch die Kirchen. Sie haben, wie es in dem von der stellvertretenden Ausschussvorsitzenden, Dr. Brigitte Varchmin, präsentierten Papier heißt, Armut immer wieder als Herausforderung zu sozialem Engagement angenommen: „Das Evangelium gilt allen Menschen und besonders den Armen.“ Während die Propheten klagten, dass die Reichen Haus an Haus reihen (Jesaja 5,8) und die Armen um ihre Lebensmöglichkeiten gebracht werden, verteidige Jesus von Nazareth das Geschenk des Lebens: „Er erzählt von der Güte Gottes so, dass alle das für ihr Leben Notwendige erhalten, unabhängig von ihrer Arbeitsleistung.“
Im täglichen Leben komme unterstützende Hilfe wie beispielsweise die Familienförderung, aber nicht immer bei den Betroffenen an. Für den Ausschuss Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung bedeutet das: „Solche Leistungen sind notwendig. Sie helfen gegen die Ausgrenzung der Armen und insbesondere gegen Kinderarmut jedoch nur, wenn zugleich das Budget armer Familien langfristig höher wäre. Auch begleitende sozialpädagogische wie auch Bildungsangebote könnten für die Betroffenen hilfreich sein.“