Stellungnahme des Vorstandsvorsitzenden Herrn Dr. Dieter Gudel zu den Geschehnissen rund um das 149. Stadtderby
Der VfB berichtet: Wir haben mit dem Vorstandsvorsitzenden des VfB Lübeck, Herrn Dr. Dieter Gudel, zu den Vorkommnissen im Zuge des 149. Stadtderbys zwischen dem 1. FC Phönix und dem VfB Lübeck am Sonntag, den 05.10.2025 ein Interview geführt.Frage: Guten Tag, Herr Dr. Gudel. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben um sich zu den Geschehnissen rund um das 149. Stadtderby zu äußern. Warum äußern Sie sich erst jetzt mit einem Abstand von vier Tagen?
Herr Dr. Gudel: Weil wir es für angemessen gehalten haben, uns erst einmal ein umfassendes Bild zu verschaffen; zuzuhören, zu filtern und zu reflektieren. Nach einem solchen Ereignis ist professioneller Abstand geboten, bevor man sich zur Sachlage qualifiziert äußert. Ebenfalls wollten wir unsere Vorbereitung auf das so wichtige Pokalspiel gegen Weiche Flensburg keinesfalls stören, was wir gestern Abend für uns entscheiden konnten.
Frage: Sie haben einen Aufruf unter den VfBern gestartet und knapp 100 Rückmeldungen erhalten – wie fielen diese aus?
Herr Dr. Gudel: Neben den öffentlichen Rückmeldungen auf unseren sozialen Kanälen haben wir auch eine Vielzahl direkter Mails erhalten. Ein Großteil behandelt die Begegnung von einzelnen Fans oder Fangruppen mit der Polizei, welche die Zuwegung zum Stadion und zum Umfeld großräumig versperrt hat.
Darüber hinaus haben wir aber auch eine Vielzahl an Rückmeldungen durch VfBer und fußballinteressierte Lübecker, die sich an einer Stadionkasse noch ein Ticket kaufen wollten und öffentlich kommunizierten Meldungen der Veranstalter über diese Möglichkeit gefolgt sind. Einige dieser Personen wurden von der Polizei am Zugang zum Stadion gehindert, andere wiederum wurden durchgelassen. Des Weiteren haben sich Anwohner oder in den betreffenden Straßen Parkende bei uns gemeldet und beschwert, dass die Polizei sie entweder überhaupt nicht oder erst nach eingehender Identitätsprüfung durchgelassen hat. Außerdem wurde ein akkreditierter Pressevertreter und auch ein Spieler unseres Vereins am Betreten des Stadionumfeldes zeitweilig gehindert.
Und zu guter Letzt haben uns Nachrichten erreicht, dass Menschen mit Tickets aufgrund Ihres Erscheinungsbildes nicht zum Stadion durchgelassen wurden. Interessanterweise betraf das auch den Schiedsrichter der Partie oder mich selbst. Mein Erscheinungsbild und mein dunkler Mantel seien Anlässe gewesen, mich an der Possehlstraße nicht durchzulassen.
Frage: Sie haben es aber trotzdem ins Stadion geschafft – und der Schiedsrichter augenscheinlich ja ebenfalls.
Herr Dr. Gudel: Ja, aber das sind eher die kleinen Anekdoten am Rand. Obwohl es mir relativ selten passiert, auf einer öffentlichen Straße einer deutschen Stadt durch eine bewaffnete Polizeieinheit in Montur mit Helm und Sturmhaube am Stadionzugang gehindert zu werden aufgrund meiner Optik. Ich habe meine Funktion auch nicht erwähnt, sondern war neugierig, wie jeder andere auch behandelt zu werden und habe es als Fortbildung genommen. Mit knapp 25 Minuten Beobachtung des Verhaltens der Einheit gegenüber anderen VfBern und Fußballinteressierten gelang mir eine passende Anrede und ich durfte passieren.
Frage: Wie beurteilen Sie die Lage?
Herr Dr. Gudel: Ohne Selbstkritik kommen wir an dieser Stelle nicht aus! Denn man muss einfach mal feststellen, dass die Organisation des 149. Stadtderbys am vergangenen Sonntag unter zwei äußerst negativen Vorzeichen stand. Zum einen wirkten noch die Geschehnisse und die mangelhafte Organisation von Zuwegung, Ticketing, Ordnungsdienst und Sicherheit beim letzten Derby am Buniamshof 2024 nach. Zum anderen provozierte auch ein Aufruf von einigen VfB-Fans, das aktuelle Derby zu boykottieren und die Mannschaft aus dem Umfeld des Buniamshofs unterstützen zu wollen.
Dieser Aufruf zur Unterstützung im Stadionumfeld und die Ereignisse der letzten Saison haben die Veranstalter des Spiels überfordert und zu den sichtbaren Maßnahmen veranlasst. Um es direkt zu sagen: Manche VfBer, die aufgrund der polizeilichen Maßnahmen nicht an den Buniamshof gelangen konnten, müssen sich auch an die eigene Nase fassen, inklusive der Schadenwirkung auf andere, die dann ebenfalls nicht passieren durften. Wir sind aber so selbstkritisch, dass wir das nicht verschweigen und wir kommunizieren hierzu auch intern. Denn letztendlich hat unserer Mannschaft an dem Tag die Unterstützung gefehlt, es hat uns also selbst geschadet. Und der Lübecker Bürger ist an einem verkaufsoffenen Sonntag in der Innenstadt mit einem fußballbedingten Polizeieinsatz konfrontiert worden.
Frage: Viele haben sich auch über das Auftreten der Polizei beschwert?
Herr Dr. Gudel: Ja, aber das greift an dieser Stelle zu kurz. Hier möchte ich trotz aller individuellen Erfahrungsberichte eindringlich davor warnen, jetzt der Polizei einen schwarzen Peter zuzuspielen. Es gibt für mich einen anderen Punkt. Es gibt bei der Lübecker Polizei sehr erfahrene Kompetenzen bzgl. der Organisation und Begleitung von publikumsintensiven Fußballspielen, welche aufgrund der Sachlage augenscheinlich nicht einbezogen wurden. Ich habe diese am Veranstaltungsort nach meiner eigenen Begegnung der dritten Art gesucht, aber sie waren nicht vor Ort.
Deren Expertise und Erfahrung wäre wichtig gewesen, um zwischen Veranstalterpflichten und Polizeiaufgaben zu trennen. In einer großen Anzahl von Angaben wurde übereinstimmend mit unseren eigenen Beobachtungen sehr deutlich, dass Polizeikräfte auf der Straße die Aufgabe der Ticketkontrolle, der Parkraumkontrolle und eines vorgelagerten Ordnungsdienstes auf Steuerzahlerkosten für die Veranstalter übernommen haben, ohne abgestimmt und einheitlich zu agieren. Wir wissen aus eigener Beobachtung, dass eine Polizeigruppe definitiv nichts vom Ticketverkauf wusste und vor Ort durch einen mir bekannten VfBer demonstriert bekam, dass und wieso er an die Tageskasse wollte – er wurde mit seinem Enkel abgewiesen.
Dieses Verhalten wurde auch in weiteren Rückmeldungen deutlich. Die Kommunikation an einem Spieltag zwischen den einzelnen Instanzen Veranstalter, Verein und Ordnungskräfte ist aber entscheidend für das Gelingen einer solchen Veranstaltung – das war hier ganz offensichtlich nicht der Fall. Dass dann in der Dynamik des Spieltages Reibungen entstehen, ist nachvollziehbar. Und nochmal: wir sind hier auch selbstkritisch und fassen uns wegen des Verhaltens mancher VfBer auch an den eigenen Kopf. Wenn es aber um ein ganzes Bild geht, dann gehören auch diese Rückmeldungen dazu.
Frage: Suchen Sie das Gespräch mit den Verantwortlichen? Was leiten Sie daraus ab? Was sind Ihre Konsequenzen?
Herr Dr. Gudel: Ich habe nach dem Desaster 2024 am Buniamshof jetzt das zweite Derby am gleichen Ort erlebt, veranstaltet von den gleichen Instanzen, wieder an einem verkaufsoffenen Sonntag. Gleiches Ergebnis. Deshalb sehe ich uns als VfBer in der Pflicht, proaktiv selbst dafür zu sorgen, dass VfBer und fußballinteressierte Lübecker ein Derby als echtes Fußballfest erleben können, ohne dass dafür halb Lübeck beeinträchtigt wird. Lübeck verdient auch in der Organisation einer Fußball-Veranstaltung gutes Niveau!
Einen ersten Schritt hierzu werden wir beim kommenden 150. Derby im Frühjahr 2026 bei uns auf der Lohmühle machen. Hier werden wir wie im Frühjahr diesen Jahres demonstrieren, dass ein Stadtderby ein tolles Fußballerlebnis für alle Lübecker sein wird. Sollte es dann in der kommenden Saison wieder zu einem Stadtderby am Buniamshof kommen, dann werden wir uns überlegen, parallel zum Spiel ein attraktives public viewing an der Lohmühle zu veranstalten und unsere Mannschaft aus der Ferne mit Feuer und Leidenschaft zu unterstützen.
Denn wir als VfB würden fahrlässig gegenüber unseren eigenen Fans und Mitgliedern agieren, wenn am Buniamshof ein weiteres Mal ausprobiert wird, zu Lasten der Allgemeinheit ein solches Fußballfest zu organisieren. Die im Rahmen eines möglichen public viewing erhaltenen Spenden, Becherpfände usw. werden wir dann im Zuge unserer Aktion „Kicken&Lesen“ für Bildung spenden. Damit werden wir von unserer Seite zumindest ein kleines Zeichen setzen wollen, um die Geschehnisse von diesem Wochenende ein wenig zu kompensieren.
Frage: Wie meinen Sie das?
Herr Dr. Gudel: Mein Kollege Sebastian Harms wurde im Nachgang unserer Mitglieder-Veranstaltung am 14.7. diesen Jahres kritisiert, weil er äußerte, dass er im Prinzip unter anderem nach fußballtalentierten Kindern vermögender Familien Ausschau halte, da wir uns ansonsten Spieler finanziell kaum leisten können. Bei unserem Derby am Buniamshof durfte ich am vergangenen Wochenende erleben, dass eine gesamte 1. Herrenmannschaft und deren Spielbetrieb in der Regionalliga auf diesem Prinzip aufgebaut ist.
Das kritisiere ich auch nicht, denn der Fußball ist vielfältig und eine Projektionsfläche für sehr viele Emotionen, für Herzblut, für Narzissmen und Bedürfnisse – für mich reicht an dieser Stelle Humor. Dass aber Steuerzahler bei einem solchen Happening auf einer städtisch-öffentlichen Anlage den Einsatz von Staatsbediensteten als Ticketing, Parkraumservice und als Ordnerdienst finanzieren, gibt zu denken
