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Techniker Krankenkasse: Längst überfällig: Das Patientenrechtegesetz

Das deutsche Gesundheitssystem wird immer komplexer. Für die Patienten ist es häufig schwer, sich im  Leistungswettbewerb von Pharmaherstellern, Ärzten und Krankenkassen zurechtzufinden und zu informieren.
Doch nur ein informierter Patient kann gemeinsam mit dem Arzt auf Augenhöhe über seine Gesundheit entscheiden oder sich im Falle eines Behandlungsfehlers die nötige Hilfe holen. Die Voraussetzung dafür ist Transparenz im Gesundheitswesen und eine eindeutige Rechtslage. Schon seit Jahren versucht die Politik, die Rechte der Patienten in einem Gesetz zu bündeln und zu stärken. Jetzt ist es endlich so weit: Am 1. Juli 2012 tritt das neue  „Patientenrechtegesetz“ voraussichtlich in Kraft. Es beinhaltet beispielsweise konkretere Aufklärungs- und  Dokumentationspflichten von Ärzten und Krankenhäusern sowie die Stärkung der Patientenrechte bei  Behandlungsfehlern. „Das bisher vorgelegte Grundlagenpapier der Bundesregierung geht in die richtige Richtung, fasst aber nur bestehende Rechtsgrundlagen und Gerichtsurteile zusammen. Wir brauchen konkretere Inhalte“, sagt Dr. Andreas Meusch, Leiter der Landesvertretungen der Techniker Krankenkasse (TK). „Der Patient muss beispielsweise wissen, wer für die Veröffentlichung von Patienteninformationen verantwortlich ist und wer sie finanziert hat. Kommerzielle Interessen gehören nicht ins Behandlungszimmer. Werbung und Verkauf von zusätzlichen  Selbstzahlerangeboten wie ‚Individuelle Gesundheitsleistungen‘ (IGeL) sind deshalb per Gesetz zeitlich und räumlich von der ärztlichen Behandlung zu trennen“, so Meusch. Auch sollten Ärzte dazu verpflichtet werden, die Behandlung  zeitnah, eindeutig und fälschungssicher zu dokumentieren – auch im Falle einer elektronischen Dokumentation. Dazu muss es dem Patienten jederzeit möglich sein, ohne Angabe von Gründen Einsicht in seine Akte zu nehmen. „Jeder Patient hat das Recht auf eine richtige und vollständige Patientenakte, die vor dem Zugriff Unberechtigter und gegen nachträgliche Veränderungen geschützt ist“, sagt Meusch. Wie eine Studie des „Wissenschaftlichen Instituts der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen“ (WINEG) zeigt, möchte jeder fünfte Patient von seinem Arzt stärker in die Entscheidungen einbezogen werden, die seine Gesundheit oder seine medizinische Behandlung betreffen. „Die Bereitschaft eines Patienten zur Mitwirkung in einer Therapie ist deutlich höher, wenn er versteht, warum eine  bestimmte therapeutische Maßnahme sinnvoll ist, als wenn er nur die Anweisungen seines Arztes befolgt. Deswegen ist eine partnerschaftliche Entscheidung für beide Seiten vorteilhaft und sollte deshalb Patientenrecht werden“, fordert der TK-Landesvertretungsleiter. Bei schweren Erkrankungen oder vor komplizierten medizinischen Eingriffen kann es darüber hinaus sinnvoll sein, die Behandlungsempfehlung des Arztes mit einem anderen Experten im Rahmen eines geregelten Zweitmeinungsverfahrens zu beraten. Ein besonderes Anliegen der TK ist die Stärkung der Patientenrechte bei Behandlungsfehlern. „Längst überfällig ist eine gesetzliche Regelung, die verbindlich sicherstellt, dass Ärzte und Zahnärzte über eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung verfügen“, so Meusch. „Es kann nicht sein, dass es heute immer wieder vorkommt, dass geschädigte Patienten das ihnen zugesprochene Schmerzensgeld wegen eines zu geringen Versicherungsschutzes des Arztes nicht erhalten.“ Auch sei es für Patienten gegenwärtig schwer, berechtigte Ansprüche aus Behandlungsfehlern geltend zu machen. Die juristischen Verfahren sind oft langwierig und für Patienten belastend. Deshalb sollen sie durch Beweiserleichterungen unterstützt werden. „Auch die Verfahrensrechte im Arzt- Haftungsrecht sollten für Patienten und ihre Interessenvertretungen vereinfacht werden, zum Beispiel durch die Einrichtung von Spezialkammern an den Landgerichten“, sagt Meusch. Kinder und Jugendliche sind laut Meusch bei Behandlungsfehlern besonders zu schützen. „Für Kinder und Jugendliche bedeutet die derzeitige Verjährungsfrist von drei Jahren, dass sie oft keine Möglichkeit mehr haben, die Entscheidung ihrer Eltern, für oder gegen ein  Behandlungsfehlerverfahren zu korrigieren“, erklärt Meusch. Daher sollte die Verjährungsfrist erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres beginnen und generell auf zehn Jahre verlängert werden. Hintergrund: Grundlagenpapier  Patientenrechte Bereits am 22. März 2011 haben der Patientenbeauftragte der Bundesregierung und die Ministerien für Gesundheit und für Justiz in einem Grundlagenpapier Eckpunkte für ein Patientenrechtegesetz veröffentlicht. Sie beinhalten u.a. die Aufnahme eines Behandlungsvertrages in das Bürgerliche Gesetzbuch, konkretere Aufklärungs- und Dokumentationspflichten von Ärzten und Krankenhäusern sowie die Stärkung der Patientenrechte bei  Behandlungsfehlern. Ursprünglich sollte das Gesetz noch 2011 vom Bundestag verabschiedet werden. Mitte November erklärte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, er gehe davon aus, dass das Patientenrechtegesetz zum 1. Juli 2012 in Kraft treten werde. Ein Referentenentwurf werde Anfang 2012 ins Bundeskabinett kommen. Ebenfalls im November haben zehn Bundesländer die Bundesregierung mit eigenen Vorschlägen zum Handeln aufgefordert. Sie
wurden unter Federführung der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz vorgelegt. Jetzt ist die Bundesregierung am Ball – Patienten und ihre Interessensvertretungen warten seit Jahren auf ein Patientenrechtegesetz. Arzt und Patient auf Augenhöhe -Jeder fünfte Patient will stärker mit entscheiden +++ mehr Infos unter: www.tk.de