Zweite Tunnelbohrmaschine für den European XFEL am Start
Taufe der Maschine und der von ihr herzustellenden Tunnelabschnitte
Erscheinungsdatum:
21.12.2010
Nach der traditionellen Tunnel- und Bohrertaufe ist nun auch die zweite Tunnelbohrmaschine für den europäischen Röntgenlaser European XFEL bereit für ihren Einsatz. Die festliche Zeremonie fand am 21. Dezember in Anwesenheit von etwa 250 Gästen aus Forschung und Politik auf dem zukünftigen Forschungscampus der Röntgenlaseranlage in Schenefeld (Kreis Pinneberg, Schleswig-Holstein) statt. Der Start der Tunnelbohrmaschine mit dem klangvollen Namen AMELI („AM Ende LIcht“) ist für den 3. Januar 2011 vorgesehen. Die Patenschaft für die von AMELI herzustellenden Tunnelabschnitte hat Frau Dr. Cordelia Andreßen, Staatssekretärin für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein, übernommen. Ihr zur Seite steht die Taufpatin der Tunnelbohrmaschine, Frau Christiane Küchenhof, Bürgermeisterin von Schenefeld.
Der Einsatz der zweiten Tunnelbohrmaschine für den neuen Röntgenlaser ist Anlass für einen Blick in die Zukunft:
Frau Dr. Cordelia Andreßen, Schleswig-Holsteins Wissenschafts-Staatssekretärin und seit heute Patin der „Cordelia-Tunnel“, deren Bau gleich im neuen Jahr startet: „“European XFEL ist nicht nur das größte wissenschaftliche Bauvorhaben in Norddeutschland. Der neue Röntgenlaser bringt auch eine neue Wissenschaftsdimension in die Metropolregion und unser Bundesland: eine international betriebene und genutzte Forschungsanlage für die Naturwissenschaften, die in ihrer Art weltweit einmalig sein wird. Wir in Schleswig-Holstein sind stolz, Teil dieses Projektes und hier in Schenefeld auch Standort für die Forschung zu sein.““
Frau Dr. Herlind Gundelach, Hamburgs Wissenschaftssenatorin und Patin der „Herlind-Tunnel“, die mit der ersten Tunnelbohrmaschine aufgefahren werden: „“Der European XFEL verbindet Hamburg und Schleswig-Holstein nicht nur symbolisch durch sein Tunnelsystem. Auch die jetzt schon hervorragende praktische Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern wird durch ihn weiter gestärkt.““
Frau Christiane Küchenhof, Bürgermeisterin der Stadt Schenefeld und Taufpatin der Tunnelbohrmaschine AMELI: „“Dieses Forschungsprojekt ist für Schenefeld zukunftsweisend und hat für uns eine große Bedeutung. Es wird zu einer nachhaltigen und positiven Entwicklung unserer Stadt beitragen.““
Professor Dr. Massimo Altarelli, Geschäftsführer der European XFEL GmbH: „“Was jetzt noch Startschacht für die Tunnelbohrmaschine ist, wird in vier Jahren die Experimentierhalle des Röntgenlasers sein, in der Forschergruppen aus der ganzen Welt ihre empfindlichen Messapparaturen zur Erkundung von Nanostrukturen betreiben. Wir können mit Forschungsergebnissen rechnen, die die Industrie ertüchtigen, neue und verbesserte Werkstoffe und Medikamente auf den Markt zu bringen. Eine echte Investition in die Zukunft.““
Professor Dr. Helmut Dosch, Vorsitzender des Direktoriums des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY: „“Der Freie-Elektronen-Laser FLASH bei DESY stand am Anfang eines inzwischen weltweiten Booms in der Röntgenlaser-Forschung. Wir müssen jetzt sicherstellen, dass wir den European XFEL als weltbeste Anlage zügig aufbauen, um ab 2014 die Nase vorn zu haben“.“
Die neue Röntgenlaser-Forschungsanlage European XFEL liegt in den beiden Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein und ist 3,4 Kilometer lang. Knapp 5,8 Kilometer Tunnelröhre müssen dafür gebaut werden. Anfang Juli 2010 startete die erste der beiden Tunnelbohrmaschinen, TULA („TUnnel für LAser“), die unter Hamburger Stadtgebiet arbeitet und bis heute bereits zwei Tunnelabschnitte von insgesamt über einem Kilometer Länge aufgefahren hat. Die zweite Tunnelbohrmaschine ist mit 5,48 Metern Außendurchmesser, einer Länge von 84 Metern und einem Gewicht von 500 Tonnen etwas kleiner als die erste. Sie gräbt das Tunnelsystem unter dem zukünftigen Forschungsgelände der European XFEL GmbH in Schenefeld: Von der Baugrube für die spätere Experimentierhalle aus wird sie acht Tunnelabschnitte mit einem Innendurchmesser von 4,60 Metern für die Röntgenlaseranlage herstellen.
So viele kurze Tunnelabschnitte zu konstruieren, ist selbst für erfahrene Tunnelbauer eine Herausforderung, denn die Maschine muss dafür insgesamt vier Mal auseinandergenommen, an ihren neuen Startpunkt in der zukünftigen Experimentierhalle zurücktransportiert und wieder zusammengebaut werden. Weitere drei Mal muss sie durch einen bereits bestehenden offenen Schacht hindurchbewegt werden, um an der gegenüberliegenden Schachtwand erneut starten zu können. Auch dafür musste die Maschine vom Hersteller speziell ausgelegt werden. AMELI wird bis voraussichtlich Sommer 2012 im Einsatz sein.
Wie der Bergbau unterliegt auch der Tunnelbau für den European XFEL einer besonderen Tradition, die bis heute für Bergleute und Tunnelbauer eine wichtige Rolle spielt. Zentraler Programmpunkt des heutigen Tunnelfestes war deshalb die feierliche Taufe von Tunnelröhre und -bohrmaschine, die vor Beginn der Bauarbeiten im Rahmen einer ökumenischen Andacht erfolgt. Während der Zeremonie wurde auch eine Holzstatue der heiligen Barbara gesegnet und anschließend in einem Schrein an der Tunnelwand aufgestellt. Die heilige Barbara ist die Schutzpatronin der Bergarbeiter und Tunnelbauer und soll diese vor den Gefahren bei der Arbeit bewahren.
Die Patenschaft für die von AMELI hergestellten Tunnelabschnitte hat Dr. Cordelia Andreßen, Staatssekretärin für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein, übernommen. Als Taufpatin wird sie von den Tunnelarbeitern während der Bauzeit als irdische Vertreterin der heiligen Barbara angesehen, und der Tunnel trägt traditionell ihren Vornamen (Cordelia-Tunnel).
Auch die Tunnelbohrmaschine wurde vor ihrem ersten Einsatz getauft. Ihr Name – AMELI („AM Ende LIcht“) – ist das Ergebnis eines für den Namen der ersten Maschine durchgeführten öffentlichen Wettbewerbs. Er wurde heute bei dem Taufakt von der Taufpatin für die Maschine, Christiane Küchenhof, Bürgermeisterin von Schenefeld, bekannt gegeben.
Die Tunnelanlagen für den European XFEL liegen so tief, dass sie im Grundwasser verlaufen. Sie werden direkt unterirdisch mit großen Schildvortriebsmaschinen gebohrt. Diese Bauweise ist ein weltweit eingesetztes und bestens erprobtes Verfahren, das zum Beispiel für den Bau von Straßen- oder Bahntunneln verwendet wird. Die Tunnel für den European XFEL haben unterschiedliche Durchmesser: Während für den Beschleuniger ein Innendurchmesser von 5,30 Metern benötigt wird, beträgt der Innendurchmesser der meisten Tunnel des Fächerbauwerks 4,60 Meter. Deshalb kommen beim Bau zwei unterschiedlich große Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz, die die verschiedenen Röhren abschnittsweise herstellen. Der Tunnelbau erfolgt von Juli 2010 bis Sommer 2012. Das heutige Tunnelfest markiert den Start der kleineren Tunnelbohrmaschine.
Mit dem europäischen Röntgenlaser European XFEL (X steht für Röntgen, FEL für Freie-Elektronen-Laser) entsteht in Hamburg und Schleswig-Holstein eine einzigartige Forschungsanlage, die ab 2015 Naturwissenschaftlern und industriellen Anwendern aus aller Welt völlig neue Forschungsmöglichkeiten eröffnen wird. Der Großteil der 3,4 Kilometer langen Anlage befindet sich in bis zu 38 Meter tiefen Tunneln unter der Erde – insgesamt sind es knapp 5,8 Kilometer Tunnelröhren, zu denen drei Betriebsgelände Zugang gewähren. Schnurgerade zwischen den Betriebsgeländen DESY-Bahrenfeld und Osdorfer Born verläuft der Haupttunnel für den supraleitenden Teilchenbeschleuniger. Dieser bringt Elektronen – jene Teilchen, die auch in elektrischen Leitungen als Strom fließen – auf die erforderliche Energie. Anschließend werden sie auf einen Tunnelfächer unter dem Forschungsgelände Schenefeld verteilt und erzeugen dort in speziellen Magnetanordnungen intensive Röntgenblitze. Diese werden dann in die Experimentierhalle geleitet, in der internationale Wissenschaftlerteams mit dem brillanten Röntgenlicht forschen.
Als weltweit einzige Forschungsanlage dieser Art wird der European XFEL hochintensive ultrakurze Röntgenblitze mit den Eigenschaften von Laserlicht erzeugen, und zwar 27 000 Mal in der Sekunde. Den Naturwissenschaften bietet diese Lichtquelle der Superlative ungeahnte Forschungsperspektiven. Von den Ergebnissen profitieren die verschiedensten Disziplinen und auch industrielle Anwender – beispielsweise wenn es darum geht, neue Werkstoffe und Materialien im Nanobereich oder wirkungsvollere Medikamente zu entwickeln.
Als internationales Projekt wird der European XFEL von einer eigenständigen Forschungsorganisation betrieben, der gemeinnützigen European XFEL GmbH, die im Herbst 2009 gegründet wurde und bereits über 70 Mitarbeiter beschäftigt. An dem Projekt beteiligen sich zurzeit 12 Länder (Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Polen, Russland, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien und Ungarn). Gesellschafter der European XFEL GmbH sind bereits Dänemark, Deutschland, Polen, Russland, Schweden, Schweiz, Slowakei und Ungarn. Die Länder Frankreich, Italien und Spanien planen den Beitritt. Die Baukosten für die Anlage einschließlich der Inbetriebnahme belaufen sich auf 1082 Millionen Euro (Preisniveau 2005). Als Sitzland trägt Deutschland (Bund, Hamburg und Schleswig-Holstein) 54 Prozent der Baukosten; Russland übernimmt 23 Prozent und die anderen internationalen Partner jeweils zwischen einem und 3,5 Prozent.
Vertreter Deutschlands und Hauptgesellschafter mit einem Anteil von über 50 Prozent ist das Forschungszentrum DESY, bei dem die Idee für die Röntgenlaseranlage geboren und auf den Weg gebracht wurde. DESY ist Bauherr der Tiefbauarbeiten, die im Januar 2009 begonnen haben. Auch in Zukunft arbeiten die European XFEL GmbH und DESY bei Bau, Inbetriebnahme und Betrieb der Röntgenlaseranlage eng zusammen. So baut DESY zusammen mit internationalen Partnern das Herz der Anlage – den 1,7 Kilometer langen supraleitenden Beschleuniger mit der Elektronenquelle – und wird diesen später auch im Auftrag der European XFEL GmbH betreiben.