Mindestlohn: Bundesrat will flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn – auch FDP-Präsidium signalisiert Bereitschaft für weitere Lohnuntergrenzen
Die aktuellen Entwicklungen in Sachen Mindestlohn scheinen eins zu verdeutlichen: Ein Großteil der deutschen Politik will das Thema offensichtlich noch vor der Bundestagswahl im Herbst „über die Bühne bringen“. So hat zuletzt der Bundesrat am 1. März einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem er „die unabdingbare Verpflichtung zur Zahlung eines Mindestlohns“ festlegen will. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales soll nach Willen der Länderkammer eine Kommission zur Festsetzung des Mindestlohns einrichten. Dieser soll für den Einstieg bundesweit 8,50 Euro brutto Stundenlohn nicht unterschreiten. Danach soll er jedes Jahr angepasst werden. Vorschläge zur Erhöhung des Mindestlohns kommen von einer Kommission. Einigt sich diese Kommission nicht auf einen Vorschlag oder ist das Bundesarbeitsministerium mit dem Vorschlag nicht einverstanden, setzt das Ministerium die Mindestlohnhöhe fest. Gültige Tarifverträge, die unterhalb dieser Mindestlohnschwelle liegen, werden damit verdrängt. Der Gesetzentwurf wird nun zunächst der Bundesregierung übermittelt. Da der Bundesrat den Entwurf als besonders eilbedürftig bezeichnet, hat ihn die Regierung innerhalb von drei Wochen mit ihrer Auffassung an den Bundestag weiterzuleiten. Mit einer Verabschiedung dieses gesetzlichen Mindestlohns im Bundestag ist allerdings vor der Bundestagswahl mit Sicherheit nicht zu rechnen. Denn der Bundesrats-Vorschlag ist ein rein politisch gesetzter Mindestlohn – vollkommen losgelöst vom Tarifsystem und wiederkehrender Wahlkampf-Willkür unterworfen. Alle drei Parteien der schwarz-gelben Koalition haben wiederholt deutlich gemacht, dass sie eine solche Mindestlohn-Variante jedenfalls nicht wollen. Aber auch die Koalitionsparteien gehen weitere Schritte in Sachen Mindestlohn. Die CDU favorisiert bekanntermaßen das Modell einer durch eine Kommission aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern festgelegten „Lohnuntergrenze“. Diese soll zwar flächendeckend gelten, allerdings können eventuell Differenzierungen in der Höhe nach Branchen, Regionen oder anderen Kriterien vorgenommen werden. Und nun selbst die FDP? Das FDP-Präsidium beschloss für den Bundesparteitag am Wochenende einen Antrag mit dem Titel „Leistungsgerechtigkeit durch faire Löhne“. „Differenziert und dezentral“ soll die Festlegung von Mindestlöhnen weiter erleichtert werden. Ein zunächst diskutierter Entwurf, der vorsah, dass „die Voraussetzungen für Lohnuntergrenzen in allen Branchen geschaffen werden“, wurde so ein Stück weit abgeschwächt. Der Antrag sieht nun vor, dass die Partei bis zum Bundesparteitag im Mai darüber diskutieren will, wie man die Voraussetzungen für weitere Lohnuntergrenzen schaffen kann. Mit welchen Mitteln und in welchem Umfang, ob bestehende Tarifverträge verdrängt werden, darüber muss nun die Partei entscheiden. Eine kurzfristige Einigung mit der Union scheint damit erst einmal ausgeschlossen. Position gegen die Einführung eines Mindestlohns bezog vor allem der stellvertretende FDP-Parteivorsitzende Holger Zastrow, der auch gegen den abgeschwächten Antrag stimmte. Er kenne kein funktionierendes Modell zur Einführung von Lohnuntergrenzen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger enthielt sich. Auch außerhalb der FDP gibt es warnende Stimmen. So erklärte der ehemalige Chef der Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz in den Medien, dass eine ganze Reihe von empirischen Studien zeige, dass schon ein Mindestlohn von 7,50 Euro zu einem Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen führen würde. Das gelte erst recht bei Mindestlöhnen von 8,50, neun Euro oder sogar mehr. Damit bestätigt er auch ein wesentliches Argument des DEHOGA gegen die Einführung des Mindestlohns. |